Heiner Machmer gehört zu den besten Steinbildhauern Deutschlands. Er siegte in einem besonderen Wettbewerb.

Der Gorilla ist gelassen, nicht sonderlich interessiert am Interesse, das es an ihm gibt. Dabei ist er das preisgekrönte Gesellenstück von Heiner Machmer, dem Steinmetz und Steinbildhauer aus Ditzingen. Der 22-Jährige ist Bundessieger im Wettbewerb „Die Gute Form“ im Steinbildhauerhandwerk.

 

Der Ditzinger hatte seine Ausbildung sowohl im väterlichen Betrieb, der Steinwerkstatt Machmer, als auch in der Bildhauerei Geisselhardt in Leonberg gemacht. Das baden-württembergische Wirtschaftsministerium fördert die Ausbildung im Verbund, damit auch Betriebe, die nicht das gesamte Spektrum der Ausbildungsordnung abdecken, ausbilden können und sich auf diese Weise um Nachwuchs bemühen können.

Heiner Machmer hatte im letzten Lehrjahr gewechselt, weil die ihn betreuende Meisterin ihn im väterlichen Betrieb aus privaten Gründen nicht länger begleiten konnte. Für den Auszubildenden bot der Wechsel die Möglichkeit, einen anderen Betrieb als den von Vater Stefan Machmer kennenzulernen, nochmals „aus einer anderen Perspektive“ auf das Handwerk und einen Betrieb zu schauen, wie es der 22-Jährige formuliert.

Für Vater Machmer ist die Verbundausbildung wichtig: „Handwerk braucht Nachwuchs“, sagt er. Und die Verbundausbildung ermöglicht es eben auch kleinen Betrieben auszubilden, obwohl sie nicht alle Aspekte abdecken können. Einen Kooperationspartner zu finden, sei nicht schwer gewesen, sagt der Meister. „Man kennt sich in der Branche.“

Am Ende der Ausbildung hatte der junge Handwerker, der in der Berufsbezeichnung nun sowohl den Steinmetz als auch den Steinbildhauer führt, sein Gesellenstück zu machen. Das Motiv war so ungewöhnlich wie bald gefunden. „Ich mag Tiere. Und das Motiv hat mir gut gefallen“, sagt er über den Gorilla, der sein Auge verdeckt. Er hatte noch ein wenig über die Darstellung des Gorillas, seine Gestik und Mimik nachgedacht – sollte dieser sich vielleicht nicht doch besser die Ohren zuhalten? Doch er entschied sich anders, zeichnete den Entwurf und fertigte das Motiv zunächst in Gips.

Zig Messpunkte zieren das Gipsmodell heute, sie dienten dem angehenden Steinbildhauer dazu, die Figur akkurat auf den Stein zu übertragen. Die Figur erinnert an die drei Affen von Nikko, die ihren Ursprung im Japanischen haben und nichts sagen, nichts hören und eben auch nichts sehen wollen.

52 Stunden oder sechseinhalb Tage später war aus dem Steinblock, einem Diabas, ein Gorillakopf entstanden, der die Jury letztlich auch durch seine Fellstruktur überzeugte: Es mutet weich an und ist eben doch steinhart. Die Wahl auf den Stein aus Hessen ist laut Heiner Machmer nicht ungewöhnlich: In seinem Metier werde er gerne verwendet, weil er einerseits hart sei, Widerstand leiste, dunkel bleibe, wenn man ihn schleife oder der Stein wegbreche. Das Spannungsfeld zwischen geschliffenem Stein und der rauen Oberfläche erzeugt eine Spannung, gibt dem Werk eine Tiefe.

Sorgsam wird der Stein dann Schlag für Schlag weggehauen. „Man lernt Geduld“ sagt Vater Stefan Machmer. Sanft sind die Schläge, kleine Flächen platzen ab. „Was weg ist, ist weg“, sagt er. Rückgängig machen lässt sich ein fälschlicherweise abgeschlagener Stein nicht mehr: Die Fingernägel des Gorillas, die Augen, die Nase – all dies musste Machmer sorgfältig bedenken, ehe er das Werkzeug in die Hand nahm: Einen Finger kann man nur einmal um ein Stück kürzer machen, ohne dass die Proportionen verloren gehen.

Das Gesellenstück war fertig, als sich dann Anfang November die besten des deutschen Steinmetz- und Steinbildhauernachwuchses trafen, um unter anderem den Nachwuchswettbewerb „Die gute Form“ auszutragen. In diesem Wettbewerb zählt nicht nur das präzise Handwerk, sondern auch die Kreativität, die eigene Idee, deren künstlerische Umsetzung. Die Jury bewertete 13 Gesellenstücke – Heiner Machmer aus Ditzingen ging als Sieger hervor.

„Es ist ein schöner Abschluss“, sagt der erfolgreiche Steinbildhauer über den Erfolg am Ende seiner Ausbildung. Als er das Gesellenstück schuf, habe er über die Wettbewerbsteilnahme nicht nachgedacht. Als er die Siegesnachricht erhielt, saß er in der Vorlesung. Machmer studiert inzwischen Geografie und Volkswirtschaftslehre. Nach der Schule war er in Brasilien, kam im März 2020 mit dem pandemiebedingten letzten Linienflug aus Brasilien nach Deutschland zurück. Um sich zu orientieren, arbeitete er im väterlichen Betrieb. Er blieb aus Freude an der Tätigkeit, schloss seine Ausbildung ab – aber immer dem Gedanken verbunden, den Beruf nicht drei oder vier Jahrzehnte ausüben zu wollen. Er folgte darin seinen Brüdern.