Der Abgang des Stuttgart 21-Projektleiters Hany Azer ist dem Druck von außen geschuldet - aber nicht nur. Dazu kamen interne Probleme.
Stuttgart - Hany Azer wird nachgesagt, erst unter Druck sei er so richtig gut. Nun, so scheint es, ist ihm in Stuttgart der Druck zu groß geworden. Der 1949 in Kairo geborene Bauingenieur, verheiratet und Vater von zwei Söhnen, hatte es nicht leicht – und hat es sich selbst schwer gemacht. Eigentlich ist Azer ein Freund klarer und einfacher Erkenntnisse. Wer die Gelegenheit hatte, persönlich mit dem kleinen, drahtigen Mann zu sprechen, dem hat er Sätze gesagt wie diesen: „Die kürzeste Verbindung zwischen zwei Punkten ist eine Gerade.“ Oder jenen: „Wenn der Anhydrit mit Wasser in Kontakt kommt, dann quillt er.“
Azers Problem: seit dem Beginn seiner Tätigkeit hat er mit dem hartnäckigen und teilweise durchaus mit guten Argumenten unterfütterten Widerstand gegen das in der Landeshauptstadt heftig umstrittene Großprojekt zu kämpfen. Azers Reaktion: Misstrauen. Dringliche Anfragen bezüglich technischer Probleme und Widersprüche ebenso wie nach der immer wieder in Frage gestellten Kostenkalkulation für das Projekt landeten häufig auf seinem Schreibtisch. Doch anstatt umgehend die für die Kommunikation zuständigen Projektsprecher – hießen diese nun Drexler, Andriof oder Dietrich – mit den nötigen Informationen zu versorgen, behielt Azer „Herrschaftswissen“ für sich. Und das, obwohl sein oberster Chef, Bahnchef Rüdiger Grube, der ihn nur „Hany“ nennt, öffentlich versprochen hatte, Antworten auf einfache Fragen müssten innerhalb kürzester Zeit gegeben werden.
In Berlin Bewunderung, in Stuttgart Distanz
In Berlin, wo Azer den Lehrter Bahnhof gebaut hat, haben sie ihn bewundert und mit dem Verdienstorden ausgezeichnet. In Stuttgart, wohin er noch von Grubes Vorgänger Hartmut Mehdorn abgeordnet worden war, sind die Bürger und viele seiner Mitarbeiter nie warm mit ihm geworden. Seine Welt bestand überwiegend aus Zahlen, Beton, Stahl. Seine menschlichen Seiten hat Azer gut zu verbergen gewusst. Ein Gutteil des Kommunikationsdesasters, mit dem die Bahn trotz der Bemühungen diverser Projektsprecher bei Stuttgart21 noch immer kämpft, ist mit seinem Namen verbunden. Sein ganzes Sinnen und Trachten war darauf ausgerichtet, den Tiefbahnhof und die Neubaustrecke zu realisieren.
Dass Azer im von Grube für den Bahnhof vorgegebenen Kostenrahmen von maximal 4,5 Milliarden Euro bleiben sollte, hat den Druck auf ihn erhöht – zumal er selbst einst Ausgaben von fünf Milliarden Euro errechnen ließ. Zum Erfolg verdammt, war es auch der Projektleiter, der am 1.Oktober 2010 gleich alle der Baugrube im Weg stehenden Bäume im Schlossgarten fällen lassen wollte. Wenn die Grube tatsächlich ausgehoben wird, muss nun ein anderer den Auftrag vollstrecken.