Malu Dreyer führt in Plasbergs Talkrunde „Hart aber fair“ in der ARD vor, wie man gleichzeitig für und gegen eine Koalition sein kann.

Berlin - Irgendwie ist Schizophrenie im Spiel. Oder Masochismus? Wie soll man es nennen, wenn die SPD-Spitze einstimmig ein 28-seitiges Papier zur Sondierung mit der Union beschließt, kurz darauf aber befindet, man müsse nachverhandeln. Natürlich nicht alles, aber doch insgesamt. Natürlich ohne rote Linien, aber auch über die „Schmerzpunkte“. So hörte es sich an, als die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer am Montagabend in Frank Plasbergs „Hart, aber fair“ die Haltung ihrer Partei erklärte. Sowohl als auch. Einerseits, andererseits.

 

Dass die politische Konkurrenz diese Verrenkungen lustvoll kommentierte, versteht sich von selbst – allen voran FDP-Vize Wolfgang Kubicki: „Sie müssen aufhören, die Öffentlichkeit für dumm zu verkaufen“, sagte der erfahrene Koalitionssondierer. Das SPD-Herzensanliegen Bürgerversicherung sei nunmal tot, denn das Thema finde sich nicht im Sondierungspapier. Kubicki: „Dann wird darüber auch nicht mehr verhandelt.“ Und die Obergrenze für Flüchtlinge sowie den eng begrenzte Familiennachzug hätten die Roten auch geschluckt.

Der gütige Altmaier

Für die Innenpolitik-Chefin der „Süddeutschen Zeitung“, Ferdos Forudastan, ist die SPD derzeit die „Dramaqueen der Politik“. Auch sie hält den Zickzackkurs für schwer nachvollziehbar und obendrein für politisch unklug, denn: „Wie will man denn damit einen Parteitag überzeugen?“ Es sei doch alles ausvernadelt – bis hin zum Label für artgerechte Tierhaltung, befand der Publizist Wolfram Weimer und rief Dreyer zu: „Die Republik ist nicht der Paartherapeut der SPD.“ Die Partei sei „schwer traumatisiert“, und das sei auch eine Belastung für die mögliche künftige Bundesregierung.

Der einzige, der die SPD verteidigte wie ein gütiger Vater sein unartiges Kind, war Kanzleramtschef Peter Altmaier. Sanftmütig bekundete er „Respekt für das Ringen“ der Partei und hob sogar deren Sondierungserfolge hervor: „Mit vielem kann die SPD sich gut präsentieren.“ Allenfalls zu mildem Tadel fand sich der Merkel-Intimus bereit: Ja, die Einigung müsse jetzt „durchgetragen“ werden, nein, es werde nicht nachverhandelt. Bei so viel Wohlwollen muss doch eigentlich jeder Genosse misstrauisch werden.

Dreyer will trotzdem auf dem Sonderparteitag am 21. Januar für Koalitionsverhandlungen werben – obwohl sie die Groko natürlich falsch findet. Die meisten in der Runde glauben denn auch, dass die Delegierten in Bonn den Daumen heben: „Ja, das klappt knapp“, sagt Forudastan. Es könnten sogar mehr werden als 65 Prozent, glaubt Altmaier. Für Weimer hat die Koalition ohnehin ein Verfallsdatum. In dem Sondierungspapier stehe doch, dass in zwei Jahren alles nochmals auf den Prüfstand solle. Dann werde auch Kanzlerin Merkel den Hut nehmen.