Der Stuttgarter SÖS-Stadtrat Luigi Pantisano wirft der Staatsanwaltschaft Unwillen bei der Ermittlung des Täters vor. Die CDU-Abgeorndete Maag wendet sich an Innenminister de Maizière.

Stuttgart - Der Stuttgarter SÖS-Stadtrat Luigi Pantisano will den rechtsradikalen Anonymus, der ihn auf seiner Facebook-Seite bedroht und beleidigt hat, nicht ungestraft davonkommen lassen. Der Politaktivist wehrt sich deshalb gegen die Einstellung der Ermittlungen gegen den unbekannten Verbreiter der Hassbotschaften und hat bei der Staatsanwaltschaft Beschwerde eingelegt. Ohnehin hält es Pantisano für unzureichend, dass sich die Anklagebehörde lediglich darauf beschränkt habe, auf der von Facebook eingeräumten allgemeinen Beschwerdeplattform die Absenderadresse des ominösen „Rob Messerschmidt“ zu erbitten. Etwas mehr Aufklärungswillen fordert deshalb nun der Anwalt des Stadtrats ein. Die Staatsanwaltschaft hatte mitgeteilt, sie habe keine Mittel, Facebook zur Herausgabe der Daten zu zwingen, da das us-amerikanische Unternehmen seinen Sitz „nicht im Zugriffsgebiet der deutschen Strafverfolgungsbehörden hat“.

 

Die Stuttgarter CDU-Bundestagsabgeordnete Karin Maag hat den konkreten Fall genutzt, um ihren Parteifreund, den Bundesinnenminister Thomas de Maizière, darüber in Kenntnis zu setzen, „dass Facebook noch nicht ausreichend mit dem Ernst der Lage konfrontiert worden“ sei. Sie halte – unabhängig von der Parteizugehörigkeit des Stadtrats – „eine solche Ignoranz für nicht mehr hinnehmbar“. Sie wäre dem Minister deshalb sehr verbunden, wenn er „hier eine Möglichkeit aufzeigen könnte, die Facebook ohne weitere langwierige Gerichtsprozesse zum Handeln zwingt“. Die Internetplattform verweigert nicht nur regelmäßig die Herausgabe von IP-Adressen, das ist die Anschrift des Computers, sondern zeigt sich auch bei der Löschung eindeutig strafbewehrter Kommentare restriktiv.

In München läuft ein Ermittlungsverfahren

Es gibt aber durchaus Ankläger, die entschlossener gegen Bedrohungen und rechte Polemik vorgehen als jene in Stuttgart. Die Staatsanwaltschaft München I sieht nun offenbar einen Anfangsverdacht und erachtet die Taten als verfolgbar. Sie hat deshalb vor wenigen Tagen auf Basis einer Strafanzeige des Würzburger Rechtsanwalts Chan-jo Jun ein Ermittlungsverfahren gegen Mark Zuckerberg und neun weitere Facebook-Manager wegen Volksverhetzung eingeleitet. Betroffene Unternehmen sind dabei die Facebook Ireland Limited sowie die Facebook Inc. (Kalifornien, USA). Chan-jo Jun hatte die angezeigten Personen im Verlauf des letzten Jahres über 438 Inhalte mit strafrechtlicher Relevanz (darunter Volksverhetzung, Gewaltdarstellung, Unterstützung terroristischer Vereinigungen) in Kenntnis gesetzt. Mit 600 Fällen von jugendschutz.net würden der Justiz rund 1000 dokumentierte Fälle vorliegen, schreibt Jun auf seiner Internetseite. Die Personen, die über die Löschungspraxis entscheiden, handelten in Deutschland und seien ermittelbar.

Seiner Meinung nach haben die Verantwortlichen gegen deutsches Recht verstoßen, indem sie die illegalen Inhalte auf Facebook nach Kenntnisnahme nicht vom Netz genommen und weiter öffentlich zugänglich gemacht hätten. Er sagt, deutsches Recht gelte auch im Internet, die Münchner Behörde sehe das genauso. „Die Eröffnung ist der wichtigste Etappensieg, da das letzte Verfahren an dieser Stelle steckengeblieben war. Erstmals besteht auch der politische Wille, gegen Facebook mit Sanktionen vorzugehen.“

Hetze im Netz kann jeden treffen

Chan-jo Jun, seit Bekanntgabe der Ermittlungen bundesweit gefragter Interviewpartner, hat sich mit dem Fall Pantisano beschäftigt. Gegenüber der Stuttgarter Zeitung betonte er, das mache das Ausmaß der Hetze im Netz deutlich. Nicht nur einige Prominente wie die Grünen-Abgeordnete Claudia Roth oder die Schauspielerin Jennifer Ulrich würden öffentlich bedroht – „es trifft jeden“, eben auch engagierte Hobbypolitiker, die sich vor Ort gegen Rechtsextremismus stark machten. Er beklagt die Verrohung der Gesellschaft, in der es normal erscheine, jemandem öffentlich zu drohen, er werde ihm „den Kopf abschneiden und sein Haus niederbrennen“. Die Hoffnung Pantisanos, eine Anfrage mit dem Briefkopf der Staatsanwaltschaft hätte Facebook nachhaltig beeindruckt, müsse er enttäuschen. Da müssten schwerere Geschützte aufgefahren werden. Er hoffe darauf, dass endlich Zeichen gesetzt würden, etwa mit Hausdurchsuchungen, der Beschlagnahme von Computern und Unterlagen. Beim US-Unternehmen Google habe konsequentes Vorgehen ebenso gefruchtet wie bei Amazon und Ebay.

Pantisano will weiter klare Kante zeigen

Luigi Pantisano, Mitgründer der bekannten Jugendkulturwoche „Bunt statt Braun“ in Waiblingen und der Internationalen Woche gegen Rassismus in Stuttgart, hat angekündigt, trotz Bedrohungen weiter auf Facebook klare Kante zu zeigen. So kritisiert er etwa die Zurückhaltung des Staatschutzes gegen die „Identitäre Bewegung“ in Stuttgart, die mit Plakaten und merkwürdigen Aktionen auf der Königstraße ihren schrägen Wertekanon publizieren. Diese Gruppe halte etwa das „Überleben der Deutschen und Europäer“ nur für möglich, wenn die Deutschen nicht mit Menschen aus anderen Ländern und Kulturen vermischt würden. Sie warnten vor dem „großen Austausch“ und forderten eine „Politik der Remigration“, ein anderes Wort für vorbehaltslose Ausweisungen und Abschiebungen.