Weil weniger Flüchtlinge kommen und deshalb auch weniger illegale Einreisen verzeichnet werden, sinkt die Gesamtzahl der Straftaten am Stuttgarter Hauptbahnhof. Beim Taschendiebstahl sind die Zahlen unverändert hoch, in manchen Bereichen steigen sie sogar.

Lokales: Christine Bilger (ceb)

Stuttgart - Schlägereien, Pöbeleien und immer wieder Taschendiebstahl: Meldungen über Vorfälle dieser Art am Stuttgarter Bahnhof kommen fast täglich. Dennoch erkennt die Bundespolizei für Stuttgart einen auf den ersten Blick erstaunlichen Trend: Die Zahl der Straftaten sinkt voraussichtlich in diesem Jahr deutlich. Zwar liegt noch keine abschließende Statistik vor, doch ein Blick auf die Vorkommnisse im ersten halben Jahr deutet an, dass weniger passiert am Reiseknotenpunkt Nummer eins in der Stadt. Das hat vor allem einen Grund: In diesem Jahr kommen weniger Flüchtlinge nach Deutschland. Wenn diese am Hauptbahnhof aufgegriffen werden, wird in den meisten Fällen eine unerlaubte Einreise und damit ein Verstoß gegen das Aufenthaltsgesetz aufgenommen. 300 Flüchtlinge wurden im Land aufgegriffen, die meisten davon am Stuttgarter Hauptbahnhof.

 

Weniger Flüchtlinge in der Statistik

Beim Blick auf die Zahlen der zurückliegenden Jahre erkennt man zunächst eine drastische Steigerung der am Stuttgarter Hauptbahnhof begangenen Straftaten: 2014 waren insgesamt 2917 Straftaten verzeichnet worden. 905 davon waren sogenannte Beförderungserschleichungen, also Schwarzfahrten. 599 mal wurde jemand im Bahnhof bestohlen, in 738 Fällen stellte die Bundespolizei Verstöße gegen das Aufenthaltsgesetz fest – eben die eingereisten Flüchtlinge. Die unerlaubte Einreise wird als Straftat meist nicht verfolgt, wenn ein Asylbegehren vorliegt. Diese Zahl stieg mit der großen Flüchtlingswelle im Jahr 2015 natürlich noch an: 2823 Verstöße gegen das Aufenthaltsgesetz wurden verzeichnet, bei 5373 Straftaten insgesamt. Ein Vergleich der Zahlen ohne die unerlaubten Einreisen zeigt, dass die sonstigen Straftaten im Bahnhofsbereich um 15 Prozent angestiegen sind, von knapp 2200 auf 2500 – das sind etwa sieben Taten pro Kalendertag.

Für das laufende Jahr gibt die Polizei nur Tendenzen bekannt, außer bei der Zahl der unerlaubten Einreisen. Einen leichten Anstieg verzeichne man bei Delikten wie Körperverletzungen, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz. Taschen- und Handgepäcksdiebstahl, ein Bereich, dessen Zahlen seit 2013 kontinuierlich gestiegen sind, bewegen sich „auf gleichbleibend hohem Niveau im Vergleich zu letztem Jahr“, sagt Jonas Große, der Sprecher der Bundespolizei. „Wir führen es auf unsere erhöhte Präsenz zurück, dass die Zahlen beim Taschendiebstahl nicht weiter ansteigen“, sagt er. 2014 waren es 177 Fälle, 2015 dann 196. Der Anstieg der Widerstandshandlungen gegen Polizeibeamte sei auch eine Folge von mehr Präsenz: „Wir sind natürlich zu den Zeiten da, zu denen viele Menschen unterwegs sind – und dann, wenn alkoholisierte Personen unterwegs sind. Bei diesen ist die Kooperationsbereitschaft mit der Polizei natürlich gering, deswegen kommt es dann auch häufiger zum Widerstand“, beschreibt Große den Zusammenhang zwischen mehr Präsenz und mehr Konflikten zwischen Verdächtigen und Polizeibeamten.

Landespolizei: 2016 passiert weniger

Etwas Verwirrung hat dieser Tage ein Bericht des Innenministeriums gestiftet, der auf eine Anfrage der FDP/DVP-Fraktion im Landtag entstanden war. Die Liberalen wollten wissen, wie es um die Sicherheit an Bahnhöfen bestellt ist. Da das Innenministerium des Landes für die Landespolizei zuständig ist, waren darin ausschließlich deren Zahlen vorgekommen. Für den Stuttgarter Bahnhof lagen diese mit 791 Fällen 2015 (2014: 643) sogar unter den Zahlen allein für die unerlaubten Einreisen. Das verzerrte das Bild etwas. Erst in der Gesamtbetrachtung der Zahlen der Landes- und Bundespolizei ergibt sich ein Gesamteindruck.

Die Landespolizei ist rund um den Bahnhof zuständig und hat dort ebenfalls seit Jahresbeginn ihre Präsenz verstärkt, weil nach den Vorfällen der Silvesternacht das Sicherheitsempfinden der Bevölkerung gesunken war. „Unser Sicherheitskonzept zeigt Wirkung“, sagt der Polizeisprecher Olef Petersen. „Wir haben den Bürgern wieder ein gutes Sicherheitsgefühl vermittelt.“ Es gebe auch entsprechend positive Rückmeldungen. Die Sicherheitskonzeption Stuttgart (SKS), die Landes- und Bundespolizei gemeinsam aufgestellt haben, soll beibehalten werden. Sie sieht eine deutlich erhöhte Präsenz rund um den Hauptbahnhof und in weiteren Innenstadtbereichen vor. Mit Erfolg, wie Petersen festhält: Die Zahl der Straftaten im Zuständigkeitsbereich der Landespolizei sei im ersten Halbjahr 2016 leicht rückläufig.