Die Daimler-Aktionäre loben die glänzenden Zahlen des Konzerns 2011. Gleichzeitig kritisieren sie, dass sich Audi und BMW noch besser entwickelt haben.

Stuttgart - Als ob die Redner sich abgesprochen hätten. Dem Lob über die Absatz-, Umsatz- und Gewinnentwicklung im vergangenen Jahr folgt die kalte Dusche für den Daimler-Vorstand. „Die Erfolge verstellen, dass die Konkurrenz Daimler die Rücklichter zeigt“, kritisiert DWS-Fondsmanager Stefan Bauknecht auf der Hauptversammlung in Berlin. „Der einstige Branchenführer hat sich von Audi überholen lassen. BMW lässt Daimler alt aussehen“, fügt er hinzu. Ähnlich sehe es bei der Innovationsführerschaft aus; andere Konzerne hätten nicht nur aufgeholt, sie hätten Daimler überholt, bemängelt etwa Thomas Meier von der Kapitalanlagegesellschaft Deka Invest. Oder bei den Produktionstechniken. Den Markt für kleine Geländewagen habe Daimler verschlafen, so Bauknecht. Und auch bei der Umsatzrendite seien die Konkurrenten besser als Daimler – trotz höherer Preise der Stuttgarter.

 

Daimler-Chef Dieter Zetsche hat gleich zu Beginn des Aktionärstreffens viel über Ziele gesprochen. Im Jahr 2020 will Daimler wieder die Spitzenposition erreicht haben, hat er den rund 5800 anwesenden Aktionären versprochen. Das konnte die Kritiker freilich nicht beruhigen. „Wir erfreuen uns alle bester Gesundheit“, sagt Ulrich Hocker, von der Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz, und beschloss damit die anwesenden Aktionäre mit ein. „Hoffentlich erleben wir das.“ Auch Georg Eppinger will wissen, warum sich die Aufholjagd so lange hinziehe, „warum nicht in Ihrer aktiven Zeit, Herr Zetsche“, fragt Eppinger, der ehemalige Daimler-Direktoren vertritt.

Kritik zurückgewiesen

Zetsche weist die Kritik zurück, dabei redet er so schnell, als wolle er die Aufholjagd verbal gleich jetzt entscheiden. Er redet von der Innovationskraft des Stuttgarter Konzerns, davon dass Daimler mehr Patente hält als die Wettbewerber alle zusammen. Von der aktiven und passiven Sicherheit, vom Komfort der Fahrzeuge. Und von der neuen Designsprache, die auch jüngere Kunden seiner Ansicht nach verstehen. Er spricht vom Vermietkonzept Car2go und von der neuen A-Klasse, die im September auf den Markt kommen wird und einen Anschluss für das iPhone hat, einschließlich der Spracherkennung Siri, als „erster Hersteller überhaupt“, so Zetsche. „Ich bin überzeugt, dass unsere Innovationsführerschaft am Markt auch ankommt“, sagt der Daimler-Chef. Auch bei der Umsatzrendite verspricht er Besserung. Eine durchschnittliche Rendite von neun Prozent sollen 2013 erreicht werden.

„Schießen Sie nicht über das Ziel hinaus“, warnt Ingo Speich von der Fondsgesellschaft Union Investment. „Größe und Wachstum sind kein Selbstzweck, die ehrgeizigen Volumenziele dürfen nicht zulasten der Profitabilität gehen.“ Mit Sorge sehe er, dass die hohen Absatzsteigerungen der S-Klasse in China angeblich mit einem zweistelligen Preisnachlass erkauft wurde. Zetsche sprach von zeitlich begrenzten Marketingaktionen, die etwa im Februar in China gelaufen seien. Mittlerweile seien diese Aktionen in China „weitgehend“ zurückgeführt, so Zetsche. Die Kursentwicklung sowie die erhöhte Dividende wurden von viele Aktionären gewürdigt. Die positive Aktienkursentwicklung spiegele die Geschäftsentwicklung wieder, sagt etwa Deka-Vertreter Meier. Allerdings habe sich der BMW-Kurs noch besser entwickelt. Michael Kunert von der Schutzgemeinschaft fordert eine höhere Dividende: „Die Dividende ist das A und O der Aktien“, sagt er. Daimler schütte derzeit 40 Prozent des Gewinns aus, 50 Prozent sollten es sein, fordert er. Es gibt auch andere Stimmen. Gemessen am Aktienkurs zahle Daimler mehr als BMW, sagt etwa Speich. Mit den vorgeschlagenen 2,20 Euro pro Aktie sollte das Ende der Fahnenstange erreicht sein.

Ziemlich eindeutig ist die Ansicht der Anleger zum Thema EADS. Daimler will sich von seinen Anteilen trennen. Die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) übernimmt 7,5 Prozent der Anteile; in der zweiten Jahreshälfte soll das Geschäft über die Bühne gehen. Was mit den restlichen 7,5 Prozent passiert, darüber will Zetsche sich „zu gegebener Zeit äußern“. Die Anleger wollen das „leidige Thema“( Kunert) bald beendet sehen. Kunert sprach von einem „Possenspiel der Bundesregierung“ und davon, dass eine „Milliardenspritze aus dem EADS-Verkauf“ sinnvoll sei, um die geplanten Investitionen zu finanzieren.

Frauen an der Spitze

Auch das Thema Frauen in Führungspositionen kam wieder zur Sprache. Beate Winkler-Padernera fordert den Konzern auf, ehrgeiziger zu sein, wenn es um Frauen in Führungspositionen gehe. Einen Anteil von 30 Prozent will sie. Zetsche will zunächst das erst vereinbarte Ziele durchsetzen: bis zum Jahr 2020 sollen 20 Prozent der Führungskräfte weiblich sein. Derzeit sind es 12,4 Prozent.

In den Aufsichtsrat wiedergewählt wurde Clemens Börsig. Versammlungsleiter ist auf der diesjährigen Hauptversammlung der ehemalige BASF-Chef Jürgen Hambrecht, er vertritt Aufsichtsratschef Manfred Bischoff, der wegen eines Sportunfalls nicht anwesend ist.