Der für Hoch- und Tiefbau zuständige Bürgermeister Dirk Thürnau (SPD) hat vor Beginn der Haushaltsberatungen die „chronische Unterfinanzierung“ der verkehrlichen Infrastruktur moniert. Ohne zusätzliches Geld würde sich der Zustand der Straßen verschlechtern – das solle tatsächlich noch möglich sein.

 

Stuttgart - Der für Hoch- und Tiefbau zuständige Bürgermeister Dirk Thürnau (SPD) hat vor Beginn der Haushaltsberatungen die „chronische Unterfinanzierung“ der verkehrlichen Infrastruktur moniert. Ohne zusätzliches Geld würde sich der Zustand der Straßen verschlechtern – das solle tatsächlich noch möglich sein. Finanzbürgermeister Michael Föll (CDU) sieht die Lage weniger dramatisch, obwohl die Flickschusterei auf Dauer an die Substanz geht. Der Gemeinderat wird der Forderung Thürnaus nach einem Zuschlag für Reparaturen nachkommen. Schließlich steht die Kommunalwahl an, und viele Bürger ärgern sich über Schlaglöcher auf Fahrbahnen, Gehwegen und Stäffele – und wohl auch bald wieder über den unterfinanzierten Winterdienst.

Die im aktuellen Haushalt genehmigten acht Millionen Euro pro Jahr für Unterhaltung und Erneuerung – also Sanierung und Investitionen – sind laut Thürnau „nicht ausreichend, um den Straßenzustand auf dem heutigen Niveau zu erhalten“. Damit könnten gerade einmal Winterschäden repariert und die Fahrbahndecken erneuert werden. Er fordert dauerhaft für die Instandhaltung mindestens sechs Millionen Euro. Um das Anlagevermögen zu erhalten, müsse auch das Erneuerungsbudget von drei auf vier Millionen Euro erhöht werden. Das Sonderprogramm für die Stäffele von 300 000 Euro dürfe keine Eintagsfliege bleiben.

Es liegt offenbar in der Natur des Politikers, sich lieber an Neubauten zu erfreuen, anstatt Gewöhnliches wie etwa die 200 Verkehrszeichenbrücken – Tragkonstruktionen über der Fahrbahn, an die Wegweiser und Ampeln befestigt sind – in Schuss zu halten. Sie sind teils in schlechtem Zustand und müssen erneuert werden. Im Frühjahr hat man eine 46 Jahre alte Verkehrszeichenbrücke nach einer Routinekontrolle sofort abbauen müssen. Bisher sind für die Pflege im Haushalt null Euro angesetzt. Thürnau fordert 100 000 Euro.

803 Ampeln regeln in der Stadt den Verkehr

In der Stadt regeln 803 Ampeln und acht Rechner den Verkehrsfluss, mittels Tafeln werden aktuelle Verkehrsinformationen weitergegeben. Doch wie lange noch, wenn nicht einmal die gesetzlich vorgeschriebenen Wartungsintervalle eingehalten werden können? „Mit den aktuell zur Verfügung stehenden Mitteln konnten die vertraglichen Verpflichtungen nicht mehr gehalten werden“, sagt Thürnau. Wartungsverträge wurden gekündigt, die vorbeugende Instandhaltung der Rechner Ende 2012 vollständig eingestellt. Eine halbe Million Euro jährlich könnte für Abhilfe sorgen.

Der Gesetzgeber schreibt bis 2022 eine vollständige Barrierefreiheit für Haltestellen vor. Von 940 seien 620 umzurüsten, sagt Thürnau. Das koste in jedem der folgenden acht Jahre rund 3,3 Millionen Euro – bisher ist aber nicht ein Cent in den Haushalt eingestellt.

Die Stadt ist Eigentümerin von rund 700 Lärmschutzwänden, Stützmauern, Bachbrücken, Treppenanlagen, Fußgängerstegen, Neckarbrücken und Straßentunnels – und an allen nagt der Zahn der Zeit, denn Mehrzahl ist in den 1960er bis 80er Jahren entstanden. Derzeit könnten wegen des begrenzten Budgets Sanierungen „nur bei dringendem Bedarf“ vorgenommen werden, also etwa dann, wenn die Standfestigkeit gefährdet ist. Rund 1,4 Millionen Euro zusätzlich pro Jahr sind laut Bürgermeister Thürnau nötig. Etwa ebenso viel benötige er für die sicherheitstechnische Nachrüstung der Tunnels.

Nicht weniger publikumswirksam als Schlaglöcher ist das Thema der mangelnden Sicherheit und Sauberkeit, das sich in einem 10-Punkte-Programm manifestiert. „Unerlaubte Abfallablagerungen und eine dramatische Vermüllung“ der City gelte es zu bekämpfen. Dafür müsste der Abfallwirtschaftsbetrieb aber zusätzliche finanzielle Mittel und mehr Personal erhalten, da nur ein Teil durch höhere Gebühren gedeckt werden könne, die man etwa den Betreibern von Diskotheken und Fast-Food-Filialen auferlegen will. Die Zusatzkosten belaufen sich für 2014/2015 auf rund 600 000 Euro, danach sind pro Jahr etwa 400 000 Euro fällig.

Ähnlich marode wie Straßen und Brücken seien die Gebäude auf den 42 Friedhöfen und die Heizungen, Kühlanlagen, Orgeln und Glocken. Der Zustand widerspreche häufig dem Anspruch der Bürger, Bestattungen in einem angemessenen Rahmen abhalten zu wollen. Fast das komplette Budget werde für Sanierungen verwendet. Für Dachreparaturen und Elektroinstallationen fehlten dagegen die Mittel. 300 000 Euro bräuchte das Friedhofsamt jedes Jahr zusätzlich, außerdem stünden dringende Investitionen von zwei Millionen Euro an. Der Instandsetzungsbedarf von Wegen, Plätzen, Mauern und Treppen in den Grünanlagen, Friedhöfen und Wäldern schlage mit 1,9 Millionen Euro zu Buche, angesetzt sind bisher aber auch nur 1,5 Millionen Euro.