Tagesbetreuung, Wellness, feine Kost und pompöse Accessoires – das Angebot für Vierbeiner boomt. Ein Streifzug durch den auf Hunde spezialisierten Einzelhandel in Stuttgart.

Lokales: Sybille Neth (sne)

Stuttgart - Zur Mittagszeit kurvt Patricia Zinser mit ihrem Wackel-Dackel-Laster in Richtung Filder. Die 22-Jährige wirbt mit „Waschen, schneiden, hätscheln“. Neun Hunde – darunter Rottweiler, Labrador, Dackel, Foxterrier – sitzen erwartungsvoll in ihren Boxen, denn sie wissen, dass sie am Ziel rennen und toben können. Die junge Hundefriseurin stylt Felle – auch für Ausstellungen. Daneben betreibt sie eine freundlich eingerichtete Ganztagskita für Vierbeiner.

 

Jedes Tier hat einen Haken für Leine und Halsband. Ihre Besitzer haben sich nicht etwa aus einer Laune heraus einen Hund zugelegt und geben ihn deshalb zur Betreuung. „Die Lebensumstände meiner Kunden haben sich geändert“, erklärt Zinser. Vielleicht hat sich ein Paar getrennt, ein Umzug, eine berufliche Veränderung oder gesundheitliche Probleme haben alles über den Haufen geworfen. Für den Betreuungstag bezahlt der Mensch dann 20 bis 25 Euro.

Der Friseur bringt Fell mit Bürste und Schere in Form

Jean-Fred Noel und seine Lebensgefährtin Sarah Dolbeau haben einen ihrer kleinen Tagespflegehunde sogar schon in den Kurzurlaub mitgenommen, weil dessen Besitzerin ratlos war. Die beiden betreiben die Dog-Beauty-Lounge an der Neuen Weinsteige. Dort sollen sich auch die Menschen wohlfühlen. Deshalb darf die Besitzerin der Mischlingshündin Luna vor maigrüner Tapete mit zyklamfarbenem Blumenmuster in einem weißen Ledersessel Platz nehmen, während der Hundefriseur Noel Lunas struppiges Fell mit Drahtbürste und Schere in Form bringt. An der Wand hängen das Gemälde einer Deutschen Dogge, Fotos der eigenen vier Hunde sowie das Bild eines Pudels, den das Paar aus einer spanischen Tötungsstation gerettet hat. Noel rasiert auch die Haare zwischen Lunas Fußballen. „Bei manchen Hunden riecht das wie Käsfüße“, sagt er scherzend. „Wenn Fell an den Pfoten ist, schwitzt der Hund noch mehr.“

In der „Seifenoper“ – so nennt Noel das Badezimmer – wartet als nächstes eine Wellness-Behandlung mit Thalasso-Algenschlamm auf die Hündin. „Das entgiftet“, erklärt der Hundefriseur. Vorher wird sie mit einem Thalasso-Shampoo geduscht. Luna blinzelt schläfrig. Unruhigen oder ängstlichen Hunden verabreicht Noel eine Aromatherapie oder rät zur Dreiwochen-Kur mit speziellen Kräutern, die dem Futter beigemischt werden.

Deutsche geben 9,1 Milliarden Euro für Haustiere aus

Der Job der Haustiere hat sich geändert: Heute dienen sie meist nur noch der Freude ihrer Menschen. Sie bringen Harmonie ins Haus und sind gute Zuhörer. Das gilt für Singles und Familien, und die Menschen lassen sich das durchaus etwas kosten. Nach einer 2014 veröffentlichten Heimtierstudie der Universität Göttingen geben die Deutschen 9,1 Milliarden Euro pro Jahr für Fisch, Hamster, Kaninchen sowie Hund und Katz aus und sichern so 200 000 Arbeitsplätze in der Branche. Das Geschäft mit Zubehör, Dienstleistungen und Qualitätsfutter scheint krisensicher und Läden mit allem, was der Hund so brauchen könnte, schießen aus dem Boden. Auch in Stuttgart. Anna Frahm etwa führt „feine Kost für Tiere“. Die kulinarisch orientierte Spürnase, vor allem aber ihr Herrchen, findet in ihrem Laden Liebestier Rinderohren, Straußendrops, getrocknete Kaninchenläufe, Knabbereien vom Pferd und Reh sowie die „Wuffels“-Praline mit reiner Leber.

Die Inhaberin Frahm ist Tierernährungsberaterin und kennt die Probleme mit Allergien und Zipperlein bei Hund und Katze. Dafür hat sie in Dosen, Gläsern oder der Kunststoffpelle Schonkost mit Geschnetzeltem vom regionalen Hersteller oder vom Biobetrieb. Dem Hund sei bio egal, „das will sein Besitzer“, sagt sie lächelnd. „Heute ist das Verhältnis zum Hund emotionalisiert. Früher lief er eben einfach so mit.“

6,9 Millionen Hunde leben in deutschen Haushalten

6,9 Millionen Hunde leben in deutschen Haushalten, und der Vierbeiner von heute braucht nach Ansicht besorgter Menschen ein Bett im Indienlook, eine wattierte Reisedecke, einen Ast aus Kunststoff, an dem er sich beim Apportieren nicht verletzten kann, oder einen Maulkorb aus farbigem Silikon. Der schützt ihn, falls er zufällig auf einen vergifteten Köder treffen sollte.

Was wohl in der nassen Luna vor sich geht, während Noel ihr mit einer Noppenbürste die Mixtur aus Thalasso-Schlamm, Wasser und Meersalz einmassiert? Ab und zu schließt sie die Augen. „Man sieht, dass es ihr gefällt“, findet Noel. Ganz im Gegensatz zum Föhnen, das der Wellness-Sitzung folgt. Zum Schluss bekommt Luna als Schutzschicht noch ein paar Spritzer flüssige Seide ins Fell massiert. Weich und locker wie noch nie fühlt es sich an, freut sich die Besitzerin. Luna interessiert jedoch nur das Leckerli, das es zur Belohnung gibt.

Handgefertigte Halsbänder mit Krokoprägung

Fehlt als i-Tüpfelchen für die neu gewonnene Schönheit noch ein Halsband von Wau Miau. Das Geschäft betreibt die Goldschmiedin Trude Nufer seit zwölf Jahren. Ein zitronengelbes Lederhalsband mit Krokoprägung wäre ihrer Meinung nach der Hingucker für einen dunklen Hund. Der Preis für solch handgefertigten Luxus mit Swarovski-Steinen oder Metallapplikationen nach Nufers Entwurf geht leicht in den dreistelligen Bereich. Die praktische Variante von Halsbändern, Geschirren und Leinen für den Wald-und Wiesenhund fertigen Susanne und Andreas Schazmann in ihrer Leinenmanufaktur Pro Cane aus schnell trocknenden Materialien. Die Nähmaschinen stehen im Laden.

So wie bei Tina Dempf, die handschuhkleine Mäntelchen für den Chihuahua, Regencapes für den Windhund oder das sportliche Hoody für den Mops selbst näht. „Stilhund“ heißt ihr Label. In ihrer Werkstatt produziert sie auch Hundebetten und Transporttaschen. „Meine Mopsdame Biene lässt sich gerne anziehen“, entkräftet ihre Kundin Helga Jensch alle Zweifel, dass Vierbeiner sich gegen Steppanorak oder Zopfstrickpullover sträuben könnten. „Hunderassen ohne Unterwolle frieren schnell und erkälten sich leicht bei Regen“, weiß Tina Dempf. „Ein Dackel braucht das nicht.“ Luna auch nicht. Und warum sollte ihre Besitzerin das jetzt so seidig glänzende Fell unter einem Regencape verstecken?