Im Shackspace in Wangen ist jeder willkommen, der an Technik interessiert ist und gerne experimentiert. Hier ist alles Hobby.

Digital Desk: Jan Georg Plavec (jgp)

Stuttgart - Auf ihre Stromrechnung weisen die Leute vom Shackspace mit einem gewissen Stolz hin. Auf den 450 Quadratmetern im ehemaligen Bürogebäude der Firma Schauffele dreht sich alles ums Löten, Verkabeln und Programmieren. Da verbraucht man schon mal so viel Strom wie ein mittelgroßer Familienbetrieb. Und auch das Bild mit der Familie stimmt: die 180 Mitglieder des Vereins Shackspace fühlen sich als große Gemeinschaft. Jeder ist willkommen, jeder kann sich einbringen – Entscheidungen werden stets gemeinsam getroffen, und zwar basisdemokratisch. Einen Vorstand hat dieser Verein eher der Form halber.

 

Gregor Jehle, der sein Geld mit Software-Entwicklung verdient, gehört diesem Vorstand an, und er kann die Geschichte des Shackspace Stuttgart gut erzählen – er hat sie nämlich zu großen Teilen selbst miterlebt und geprägt. Shackspace ist eine Verschmelzung von „Stuttgart“ und „Hackspace“. Hackspace nennen sich die vereinsheimähnlichen Räumlichkeiten, in denen Hacker und Tüftler zum Basteln zusammenkommen.

Schnell auf Raumsuche

In Stuttgart gründete sich der Shackspace im Jahr 2009. Die Gründer hatten sich bei einer Hacker-Konferenz kennengelernt und beschlossen, dass Basteln und Hacken gemeinsam mehr Spaß macht. Schnell kam die Frage nach eigenen Räumlichkeiten auf. Weil das Gemeindezentrum, in dem man sich anfangs traf, nicht wirklich geeignet war, suchten und fanden die 23 Gründungsmitglieder einen Raum im ehemaligen Pfleiderer-Areal unweit des Nordbahnhofs.

Als der Verein wegen Stuttgart 21 ausziehen musste, zog er nach Wangen. Die Hacker fühlen sich dort nach eigenen Angaben ziemlich wohl: Die Miete ist moderat, und in dem zwischen Gewerbegebiet, Stadtbahngleisen und „Kulturhaus Arena“ gelegenen Haus stört selbst die Kreissäge nicht, die dort manchmal kreischt. „Und für soziale Zwecke stehen zwei Grills parat“, berichtet Gregor Jehle. Neben den Sofas, der voll ausgestatteten Küche und zwei getunten Spielautomaten, versteht sich.

Das eigentlich Spielzeug, mit dem hier hantiert wird, kommt in dieser Aufzählung noch gar nicht vor. Im Shackspace ist alles erlaubt, was Spaß macht und mit Handwerken, Basteln oder IT zu tun hat. Ihre Kreativität stecken die Tüftler etwa in einem Getränkeautomaten, der via Twitter meldet, dass er aufgefüllt werden möchte. Im Bad steht auch eine mit LEDs vollausgestattete, zur Duschkabine umfunktionierte Telefonzelle. Und dank eines selbst programmierten Zugangssystems kann jedes Vereinsmitglied von überall auf der Welt sehen, wer aktuell im Shackspace eingecheckt ist. Derzeit wird an einer Strickmaschine gebastelt und wer will, kann sich an einem Lasercutter austoben – das Gerät hat der Shackspace von einem Spender geschenkt bekommen. Gregor Jehles Augen leuchten, wenn er Besucher durch die Räumlichkeiten führen darf. Irgendwo ist hier immer was los.

Hilfe zur Selbsthilfe

Im Shackspace ist alles Hobby. Auf den 450 Quadratmetern wird vieles auf hohem Niveau gemacht, aber nichts dient einem wirtschaftlichen Zweck. „Der Weg ist das Ziel. Sobald du Geld nimmst, macht es keinen Spaß mehr“, sagt Gregor Jehle. Der 30 Jahre alte Software-Entwickler betont, dass der Shackspace kein Dienstleistungsunternehmen ist. „Wenn du deinen kaputten Laptop herbringst, wird ihn dir keiner reparieren. Aber wir werden versuchen, dir zu zeigen, wie du ihn selbst reparieren kannst“, beschreibt Jehle die Philosophie hinter dem Shackspace.

Es geht ums Basteln, aber auch ums Zusammensein und Herumblödeln. Beim Besuch der Stuttgarter Zeitung an einem Donnerstagabend ist die Mehrheit der Anwesenden männlich und zwischen 16 und 40 Jahren alt. Bei einer Gruppensitzung soll jeder sagen, was er in der nächsten Zeit lernen will. „Die Weltherrschaft an mich reißen“, erklärt der eine. „Die Telekom dazu bringen, in weniger als einem Monat einen Internetanschluss zu bringen“, der andere. Und alle kichern.

Die Gruppe steht jedem offen

Währenddessen bearbeitet Gregor Jehle in der benachbarten Werkstatt mit einem umgebaute Mikrowellen-Trafo Nägel. Mit dem entsprechenden Understatement erzählt der 30-Jährige, wie sie im Shackspace auf die Idee für den Trick kamen, er zitiert aus dem Physikbuch, zehnte Klasse – und schmilzt, weil es so schön war, gleich noch einen Nagel ein. Als sei es das Normalste der Welt, mit Bauteilen einer Mikrowelle aus einem Nagel Funken sprühen zu lassen.

Im Shackspace gehört es definitiv dazu, nicht viel Aufhebens zu machen Bei alledem geht es den Hackern in Wangen um Bildung – vor allem für die Vereinsmitglieder. So lautet der Vereinszweck. An Kooperationen mit Schulen habe man auch schon gedacht – aber Schule sei eben was für den Morgen und den Nachmittag, im Shackspace aber zieht das Leben abends ein.

„Wir passen nicht in die Kategorien von Kommunalpolitikern“, sagt Gregor Jehle. Und man werde auch nicht beim Dorffest Würstchen grillen. Nichtsdestotrotz sei Shackspace e.V. ein ganz normaler Verein, betont Jehle, und seine Mitglieder seien keine schrägen Vögel, sondern ganz normale Leute, die ihrem Hobby nachgehen. Man kann ihn ein bisschen mit einem Modelleisenbahnclub vergleichen – auch wenn im Shackspace natürlich an ganz anderen Sachen gearbeitet wird.

„Wir rekrutieren uns aus der technischen Bürgerschaft“, sagt Gregor Jehle. Dass Stuttgart mit seinen Ingenieuren, den technisch orientierten Hochschulen und einer langen Tradition als Automobilstadt nicht die schlechteste Stadt für einen Hackspace ist, schließt diese Aussage mit ein. In Wangen treffen sich Interessierte aus der ganzen Region. Wer will, solle vorbeischauen, sagt Gregor Jehle und meint es auch so. Die Tür steht offen. Offen für alle, die offen für Neues sind.