Am Montag hat die Basketball-Nationalmannschaft in Ludwigsburg gegen Estland gewonnen. Am Rande der Partie hat sich Bundestrainer Henrik Rödl über Bundesligist MHP Riesen und Trainer John Patrick geäußert.

Sport: Joachim Klumpp (ump)

Ludwigsburg - Der Basketball-Bundestrainer Henrik Rödl spricht am Rande der WM-Qualifikation in Ludwigsburg über die Nationalmannschaft und die MHP Riesen.

 

Herr Rödl, Deutschland war sehr frühzeitig als eines der drei ersten Teams – noch vor den USA – für die Weltmeisterschaft 2019 qualifiziert, wie lautet Ihr Erfolgsgeheimnis?

Wir waren schon nach acht Spielen qualifiziert, das war so nicht zu erwarten. Wir haben, wie die Griechen auch, in unglaublich vielen Konstellationen gespielt, und es ist dabei gelungen, immer eine gute Einstellung und Atmosphäre hinzubekommen, um auch in schwierigen Situationen Lösungen zu finden, die Spiele zu gewinnen. Das zieht sich wie ein roter Faden durch, und darauf bauen wir auch in Zukunft.

Gegen Griechenland haben Sie zuletzt die erste Niederlage in einem Pflichtspiel kassiert. Wie sehr schmerzt die?

Natürlich gewinne ich sehr viel lieber, als dass ich verliere, aber ob da jetzt eine Null bei den Niederlagen steht, spielt eine Nebenrolle. Es ist klar, dass man bei der Qualität der Gegner auch mal eine Niederlage hinnehmen darf. Generell versuchen wir, eine Mannschaft aufzubauen, um bei der WM gut auszusehen.

Ist der Streit im Welt-Basketball und die damit verbundene Nichtabstellung von einigen Spielern auch eine Chance?

Auf der einen Seite ganz sicher, wir hatten zuletzt wieder vier Neulinge im Aufgebot, das ist schon eine ganz besondere Situation. Jedes Spiel ist schließlich Gold wert für die Entwicklung der Spieler. Andererseits lässt es relativ wenig Rückschlüsse zu, wie unsere Mannschaft im internationalen Vergleich wirklich dasteht – aber das geht allen so. Wir können jetzt viel ausprobieren, aber letztendlich nicht den Kader entwickeln, der bei der WM auf dem Feld stehen wir – da fehlen zu viele.

Auch NBA-Profis sollen kommen

Mit wem kann man denn bei der WM 2019 in China – vor allem aus der NBA - rechnen?

Das muss man abwarten. In der Vergangenheit war es so, dass die frisch in die NBA gekommenen Profis nicht unbedingt freigestellt wurden von den Clubs. Wir versuchen natürlich alles, sämtliche Spieler zu bekommen. Aber das ist Zukunftsmusik.

Einer davon ist der Jungstar Dennis Schröder, dem in Deutschland immer noch nicht gerade der beste Ruf nachhängt. Welche Erfahrungen haben Sie in der Nationalmannschaft gemacht?

Nur die besten. Er ist hier für unsere Mannschaft ein absoluter Vorreiter und immer bereit, dabei zu sein. Er spielt ohne Frage eine Riesenrolle, aber er profitiert inzwischen auch von unserer Breite im Kader, so dass er nicht den Alleinunterhalter spielen muss. Aber er präsentiert sich hier bei uns in eindrucksvoller Weise, und ich gehe davon aus, dass er nächstes Jahr dabei ist.

Mit welchen Zielen reisen Sie im September nächsten Jahres zur WM nach China?

Wir haben in der Qualifikation zweimal Serbien besiegt, viel bessere Mannschaften gibt es dort auch nicht. Ich traue uns also zu, Mannschaften von dieser Qualität schlagen zu können. Wir fahren jedenfalls mit sehr breiter Brust dahin, und ich will jedes Spiel gewinnen. Wenn wir das schaffen, wäre ich schon zufrieden. Im Ernst: Ich mag es nicht sehr, solche Ziele zu setzen. Was macht man dann im Finale, wenn man Platz drei als Vorgabe ausgegeben hat?

Nur Spanien liegt noch vorne

Die Bundesliga BBL will bis 2020 die beste Liga Europas sein. Was fehlt noch?

Wir spielen inzwischen ganz oben mit. In der Breite liegt vielleicht nur noch die spanische Liga vorne. In den anderen Ländern gibt es Spitzenvereine wie ZSKA Moskau oder die drei großen Teams in der Türkei. Aber in der Breite muss sich die BBL nirgendwo verstecken was Organisation und inzwischen auch Gehälter angeht. Es ist ja bei der „besten Liga“ immer die Frage, welche Kriterien man zugrunde legt. In Spanien etwa sind die TV-Präsenz des Basketballs und Anerkennung in der Gesellschaft deutlich höher, daran müssen wir arbeiten.

Vorzeigeclub Brose Bamberg ist in finanzielle Schieflage geraten. Wie dramatisch wäre eine Insolvenz für den deutschen Basketball?

Ich kann die Situation vor Ort nicht einschätzen, mir aber auch nicht vorstellen, dass – mit dem Rückhalt, den man dort finanziell hat – eine Insolvenz bevorsteht. Wenn das der Fall sein sollte, wäre es ein Riesenverlust für die Liga, aber so weit wird es nicht kommen, das kann ich mir nicht vorstellen.

Wie sieht es mit dem deutschen Nachwuchs aus?

Bei der EM 2017 waren wir die jüngste Mannschaft im Viertelfinale, bei der U-20-EM haben wir Bronze geholt. Das zeigt, dass Bundesliga und Verband in dieser Richtung viel geleistet haben, um Möglichkeiten zu schaffen, dass sich Talente entwickeln. Wenn das so weiterläuft, haben wir längerfristig noch sehr viel Spaß mit dem deutschen Basketball.

Jallow behalte ich im Auge

Einer der Jungen ist Karim Jallow von den MHP Riesen, wie sieht seine Situation aus?

Wenn jemand die erste Saison so richtig Bundesliga spielt, ist es klar, dass es Hochs und Tiefs gibt, da muss er einfach lernen, konstante Leistungen zu bringen. Karim Jallow ist auf jeden Fall ein Spieler mit großem Potenzial und Einsatz, einfach ein guter Typ, den ich auch schon aus der A 2 kenne. Von daher bin ich überzeugt davon, dass er seinen Weg gehen wird. Das hat er mit einer tollen Leistung gegen Estland gezeigt – ich werde ihn weiter beobachten, das ist ja klar.

Noch ein Wort zu den MHP Riesen Ludwigsburg, bei denen es in dieser Saison schon sehr viele Wechsel gab?

Es ist ja keine neue Situation in der Bundesliga und in Europa, dass die Kader immer wieder wechseln. Ich habe großes Vertrauen in die Verantwortlichen, dass sich das wieder findet. Letztes Jahr war sicher besonders erfolgreich, aber prinzipiell performen die Mannschaften von John Patrick immer gut. Der Trainer macht die richtigen Dinge, um den Kader zu verbessern und in seine Richtung zu bringen. Es ist fast unheimlich, was seine Mannschaften immer abliefern. Das wird auch in Ludwigsburg wieder so sein.

Sind Sie denn manchmal froh, dass Sie nicht Bundestrainer im Fußball sind und täglich auf der Straße erkannt werden?

Mit solchen Dingen beschäftige ich mich nicht groß. Natürlich hat Basketball keinen solchen Stellenwert wie der Fußball, aber wir arbeiten daran, dass es besser wird.

Und deshalb fliegen Sie inzwischen im Charter zu Länderspielen?

Das war von Griechenland zurück erst zum zweiten Mal, nach Georgien, der Fall und ist schon ein besonderes Privileg. Der Verband muss sich sehr aus dem Fenster lehnen, um das zu ermöglichen. Es zeigt aber auch den Stellenwert einer erfolgreichen Nationalmannschaft. Für die Spieler ist das ein Riesenvorteil, aber noch kein Standard.