Aygül Aras aus Waiblingen hat bereits mehrere Hilfslieferungen für Flüchtlinge in ihrer Heimat, den Südosten der Türkei, organisiert. Die neue Gewalt zwischen der Türkei und der PKK hat sie nach Jahren der Hoffnung auf Frieden schwer getroffen.

Manteldesk: Thomas Schwarz (hsw)

Waiblingen - Verglichen mit westeuropäischen Maßstäben war die Situation der Menschen in der Osttürkei auch in den vergangenen Jahre nicht besonders sicher. „Aber es waren Jahre der Hoffnung. Und jetzt ist es viel schlimmer als früher. Dort herrscht Krieg, und der Rest der Welt ignoriert es. Es ist so schrecklich“, sagt Aygül Aras unter Tränen. Die sonst so energische Frau, die sich in Waiblingen seit vielen Jahren im interkulturellen Dialog engagiert und die seit einigen Jahren Hilfsgüterlieferungen in die Gegend an der syrischen Grenze organisiert (wir berichteten), ist verzweifelt.

 

Seit türkisches Militär gegen die kurdischen Kämpfer der PKK vorgeht, die gegen den Islamischen Staat (IS) Widerstand leisten, sei es in den Städten und Dörfern ihrer Heimat schlimmer als in den 80er- und 90er-Jahren. Damals lieferte sich die PKK mit dem Staat heftige Auseinandersetzungen und die Bevölkerung hatte sowohl unter deren Anschlägen als auch unter den Ressentiments der Regierung zu leiden. „Jetzt bombardiert das Militär nachts wieder Dörfer und Städte, in denen sie PKK-Kämpfer vermutet. Wer sein Haus nicht verlässt, ist in Lebensgefahr.“

Der Anschlag von Suruc wirft Fragen auf

Seit dem Selbstmordanschlag am 20. Juli in Suruc, bei dem 32 junge, kurdische und linke Aktivisten getötet wurden, herrscht wieder Krieg zwischen der PKK und der Türkei. „Das war ein geplanter Anschlag. Die wussten ganz genau, dass die Leute bei dem schönen Wetter vor dem Haus warten werden, um eine Erlaubnis zu bekommen, ihre Spenden zu verteilen“, ist sich Aygül Aras sicher. Wie viele andere vermutet sie nicht nur den IS als Drahtzieher dahinter . Als wenig später die PKK zwei türkische Polizisten ermordet, von denen sie glaubt, sie seien in die Attacke verwickelt, beginnt die türkische Luftwaffe am 24. Juli, kurdische Stellungen anzugreifen. „Für Erdogans AKP war die Wahl eine Niederlage. Erdogan will zurück zur absoluten Mehrheit. Und mit dem Vorgehen gegen die Kurden, hofft er Wähler zu gewinnen.“

Die Stadt Suruc kennt Aygül Aras durch mehrere Hilfstransporte an die türkisch-syrische Grenze. Die Stadt liegt gegenüber der syrischen Stadt Kobane, die von kurdischen Peshmerga gegen den IS monatelang verteidigt wurde. „Zurzeit ist es zu gefährlich, dorthin zu reisen“, sagt Aygül Aras. Der Verein Freunde helfen Freunden, für den sie die Hilfstransporte organisiert, habe im Moment auch nicht genügend Geld auf dem Spendenkonto. „Unter 10 000 Euro ist es nicht sinnvoll, da ich meine Reisekosten komplett selbst bezahle“, sagt sie. Tatenlos will sie aber auch nicht sein und hat sich deshalb an die Presse gewandt. „Es kann doch nicht sein, dass dort ein richtiger Krieg stattfindet und die ganze Welt nimmt kaum Notiz davon.“

Erst wenn der Krieg endet, ändert sich etwas

Die syrischen Flüchtlinge in den Lagern entlang der Grenze seien überwiegend von den Einheimischen unterstützt worden und von jungen Idealisten aus der Westtürkei, wie jenen, die bei dem Anschlag in Suruc ums Leben kamen. „Die Flüchtlinge sagen sich, ich werde so oder so sterben, also mache ich mich auf den Weg nach Europa. Erst wenn der Krieg endet, wird sich etwas daran ändern“, ist sich Aygül Aras sicher.