Der Mensch erträgt hohe Temperaturen. Studien an Schimpansen zeigen, wie er diese Toleanz im Laufe der Evolution entwickelt haben könnte.

Stuttgart - Die Sonne brennt, die Temperaturen steigen unbarmherzig. Kein Lüftchen weht. Unerträglich. Da legt man sich am besten in den Schatten und verdöst die Mittagshitze in einer ausgiebigen Siesta. Oder man stürzt sich in den nächsten Pool, dessen Wasser ein bisschen Abkühlung verspricht. Auf solche typischen Ideen kommen viele hitzegeplagte Europäer in diesen Sommertagen. Beobachtet aber haben Erin Wessling, Hjalmar Kühl und ihre Kollegen diese Szenen nicht bei menschlichen Sommerurlaubern, sondern bei Schimpansen.

 

Auch unsere nächsten Verwandten kennen offenbar etliche Strategien, um der Hitze ein Schnippchen zu schlagen. Das ist für die Forscher vom Max-Planck-Institut für Evolutionäre Anthropologie in Leipzig hochinteressant. Denn sie wollen herausfinden, wie der Mensch eine der größten Herausforderungen seiner Evolution gemeistert hat: den Übergang vom schattigen, feuchten Regenwald in die Hitze und Trockenheit der Savanne. Dort waren auch neue Strategien und Anpassungen gefragt. Nur wie sahen die aus? „Die Knochen und Werkzeuge, die von unseren frühen Vorfahren geblieben sind, verraten nur wenig über ihr Verhalten“, erklärt Hjalmar Kühl. Deshalb suchen er und sein Team nach entsprechenden Indizien bei der noch lebenden Verwandtschaft.

Kein entspanntes Sommervergnügen

Denn auch Schimpansen haben sich in einigen Regionen in die heißen und trockenen Savannen vorgewagt, obwohl das Leben dort keineswegs ein entspanntes Sommervergnügen ist. Erin Wessling hat das am eigenen Leib erlebt. Die Forschungsstation Fongoli im Senegal, in der sie gearbeitet hat, liegt in einer solchen Savannenlandschaft mit eher schütterem Baumbewuchs. „Vor allem in der Trockenzeit kann das Wetter dort brutal sein“, sagt die Forscherin. Monatelang fällt dann kein Regen, und es wird bis zu 45 Grad Celsius heiß. Wenn die Biologin in dieser Zeit dort unterwegs ist, um Schimpansen zu beobachten, braucht sie mindestens fünf Liter Wasser am Tag. Und sie muss ständig aufpassen, keinen Hitzschlag zu bekommen. Denn die besten Schattenplätze in den Galeriewäldern entlang der Flüsse sind meist schon von Schimpansen besetzt. Wenn sie Pech hat, bleibt für die Forscherin dann manchmal nur die brennende Sonne.

Auf deren Gefahren hat sich die Menschheit im Laufe der Jahrmillionen eingestellt. „Als unsere Ahnen die Wälder verließen, entwickelten sie eine ganze Reihe von anatomischen Anpassungen, um nicht zu überhitzen“, erklärt Erin Wessling. Sie legten sich etwa mehr Schweißdrüsen am ganzen Körper zu und verloren den größten Teil ihrer Behaarung. Sogar den aufrechten Gang interpretieren manche Experten als Beitrag zum Hitzeschutz.

Spezielles Hitze-Verhalten

Die Schimpansen von Fongoli können auf solche anatomischen Tricks bisher nur in begrenztem Maße zurückgreifen – wenn überhaupt. So richten sie sich nur ab und zu auf zwei Beine auf, auch haben sie weniger Schweißdrüsen als Menschen. Ob sie weniger Haare haben als ihre Artgenossen im Wald, hat bisher niemand systematisch untersucht. Erin Wessling hält das aber für möglich: „Ihr Fell sieht auf den ersten Blick schon ein bisschen dünner aus.“

Viel auffälliger sind allerdings die speziellen Verhaltensweisen, mit denen die Fongoli-Schimpansen der größten Hitze zu entgehen versuchen. So verlegen sie einen guten Teil ihrer Aktivitäten in die Nacht und halten sich tagsüber gern in kühleren Höhlen auf. Und jeder kleine Quelltümpel entwickelt eine geradezu magische Anziehungskraft. Manchmal sitzen die Tiere stundenlang bis zur Brust in solchen Pools – und zwar in einer ganz ähnlichen Haltung, wie Menschen es auch tun würden.

Vorrechte beim Baden

Das erste Baderecht haben dabei die erwachsenen Männchen, Weibchen und Jungtiere müssen warten, bis Platz für sie ist. Dann aber entwickeln die kleinen Schimpansen eine ähnliche Begeisterung für Wasserspiele wie ihre menschlichen Pendants – Sprünge und Plantschen inklusive. Aber nicht jedes Tier ist eine echte Wasserratte. Erin Wessling kennt zum Beispiel ein erwachsenes Männchen, das sich nur ins Wasser wagt, wenn es sich am Rand irgendwo festhalten kann. Doch das Misstrauen ist auch in diesem Fall nicht groß genug, um auf die Abkühlung zu verzichten.

Was aber bringt das alles? Kommen die Savannen-Schimpansen tatsächlich besser mit Hitze zurecht als ihre Artgenossen im Wald? Um das herauszufinden, haben die Max-Planck-Forscher den körperlichen Zustand von Tieren in Fongoli und im Regenwald des Taï-Nationalparks an der Elfenbeinküste verglichen. In beiden Gebieten haben sie unter den Schlafnestern der Tiere Urin gesammelt und diesen auf verschiedene Biomarker untersucht.

Stressiger Wassermangel

Kreatinin etwa ist ein Nebenprodukt des Muskel-Stoffwechsels und zeigt an, wie gut der Körper mit Wasser versorgt ist. Hohe Kreatinin-Werte deuten auf einen hoch konzentrierten Urin und damit auf Wassermangel hin. Das sogenannte C-Peptid dagegen wird zusammen mit Insulin von der Bauchspeicheldrüse ausgeschüttet. Hohe Werte zeigen an, dass der Körper gut mit Energie versorgt ist. Außerdem haben die Forscher das Hormon Cortisol untersucht, das bei der Stressbewältigung eine Rolle spielt. Die Ergebnisse zeigen, dass die Savanne zwar weniger zu fressen bietet als der Regenwald. Trotzdem können die Tiere in Fongoli ernsthaften Stress infolge von Nahrungsmangel vermeiden. „Sie haben offenbar schon Strategien entwickelt, um damit umzugehen“, sagt Erin Wessling. So fressen sie in kargen Zeiten neben Früchten auch Termiten, Blumen und Rinde.

Ein viel größeres Problem aber haben sie trotz aller Abkühlungstricks mit Hitze und Wassermangel. In der Trockenzeit stehen sie massiv unter Stress, und zwar deutlich stärker als ihre Kollegen im Regenwald. Zu ihrer Überraschung haben die Forscher aber festgestellt, dass auch die Taï-Schimpansen zu manchen Jahreszeiten stärker gestresst sind als zu anderen. „Das liegt wohl am Klimawandel“, vermutet Hjalmar Kühl. Immerhin fallen in Taï heute 500 Liter weniger Niederschlag pro Quadratmeter und Jahr als noch vor 40 Jahren. Es gibt dort inzwischen eine ausgeprägte Trockenzeit, in der auch größere Flüsse zu unappetitlichen Tümpeln zusammenschrumpfen. Trockenstress ist also auch für Regenwald-Schimpansen kein Fremdwort mehr. Sowohl in der Savanne also auch im Wald könnten die Tiere daher Probleme mit dem rasant fortschreitenden Klimawandel bekommen. Ob sie auf diese Herausforderung mit neuen Anpassungen reagieren können, ist fraglich.

Mensch und Hitze

Thermofenster
Obwohl der Mensch Millionen von Jahren Zeit hatte, sich an Hitze anzupassen, ist seine Wohlfühlnische bis heute ziemlich klein. Als angenehm empfinden die meisten Menschen Temperaturen zwischen 15 und 25 Grad. Darüber und darunter kommt bei viele Menschen ein leichtes Unbehagen auf, zudem sinkt die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit.

Vorlieben
„Was unsere Temperaturvorlieben angeht, sind wir erstaunlich konservativ“, sagt Hjalmar Kühl vom Max-Planck-Institut für Evolutionäre Anthropologie in Leipzig. „Deshalb versuchen wir, mit Kleidung, Klimaanlagen und Heizungen immer in unserer Nische zu bleiben.“