Die Welt wird chinesisch, sagen deutsche Unternehmer. China entwickelt sich schneller und oft anders, als viele deutsche glauben, sagen Hohenheimer Wissenschaftler. Die Uni will nun Wirtschaft und Lehre verzahnen – und gibt Tipps zum gedeihlichen Umgang.

Politik/ Baden-Württemberg: Christian Gottschalk (cgo)

Stuttgart - Der Unternehmer Nikolas Stihl ist ein Mann, der sich Gedanken macht, die weit über den eigenen Garten hinausreichen, in dem er mit Motorsägen und Rasenmähern sein Geld verdient. Stihl denkt nach über den Standort Deutschland, über die Zukunft des Automobils – und über die ökonomischen Zusammenhänge auf dem Globus. „Die Welt wird chinesischer werden, ob uns das gefällt oder nicht“, sagt der Beirats- und Aufsichtsratsvorsitzende des Waiblinger Unternehmens. Und es klingt schon ziemlich deutlich nach einer Warnung, wenn er hinzufügt: „Wir müssen die Weichen richtig stellen, denn China fordert uns heraus“.

 

Das ist es, was sich die Universität Hohenheim zum Ziel gesetzt hat. Mit Wissenschaftlern aus dem Reich der Mitte arbeiten die Hohenheimer schon seit rund vier Jahrzehnten zusammen, nun wird die Kooperation in der Forschung auf eine neue Stufe gestellt und zugleich erweitert. Das Projekt China-Kompetenz in Hohenheim (Chikoh) soll Wissenschaft und Wirtschaft verzahnen, den Austausch von Ideen, Menschen und Erfahrungen fördern und Studenten fit machen für den Wirtschaftsmarkt China. „Es geht darum den Studenten die notwendige Chinakompetenz zu vermitteln“, sagt Jens Vogelgesang. Der Kommunikationswissenschaftler ist Sprecher des Chikoh-Projektbeirates und will die interkulturelle Kommunikation voran treiben.

China steht vor dem Sprung aufs Treppchen

Ein Blick auf die Zahlen zeigt, dass das Hohenheimer Projekt seine Berechtigung hat. Nach den USA, Frankreich und der Schweiz ist China inzwischen der viertwichtigste Außenhandelspartner Baden-Württembergs, der Sprung aufs Treppchen ist für viele nur eine Frage der Zeit. Die Hohenheimer Wissenschaftler werden daher nicht müde, der deutschen Wirtschaft mit Tipps zur Seite zu stehen.

Alexander Gerybadze, Lehrstuhlinhaber für Internationales Management und seit langem in und über China forschend, beschreibt auf dem 1. Hohenheimer China Dialog eine seit Jahren anhaltende Trendumkehr. Das Thema Produktpiraterie sei zwar noch nicht völlig verschwunden, habe aber an Bedeutung verloren, so der Professor. Mit ein Grund dafür sei, dass chinesische Unternehmen in manchen Bereichen zu Innovationsführen geworden seien. „Wenn die deutsche Wirtschaft nicht aufpasst, dann zieht China vorbei“, mahnt Gerybadze.

Immer häufiger wird in China auch geforscht

Veränderungen beobachtet der Wissenschaftler auch bei deutschen Unternehmen in China. Immer häufiger werde im fernen Osten nicht nur produziert, sondern auch geforscht, sagt Gerybadze. Im Bereich der hochwertigen Sanitärtechnik hätten zum Beispiel die deutschen Hersteller Duravit und Hansgrohe erst in China Produkte entwickelt und erforscht, bevor sie auf den deutschen Markt kamen. Und Siemens habe auf Druck der Regierung im südchinesischen Guangzhou eine Signaltechnik für die U-Bahn entwickelt, die vorher undenkbar schien und nun auch außerhalb Chinas erfolgreich verkauft werden kann.

Man dürfe China nicht unterschätzen, mahnt Gerybadze – und Nikolas Stihl sagt: „Wir tun gut daran, uns auf einen weiteren Aufstieg Chinas einzustellen“. Deutschland und die EU könnten davon profitieren, ist Stihl überzeugt – allerdings müssten Berlin und Brüssel deutlich mehr politischen Druck ausüben, um die bestehende Asymmetrie in den Marktzugängen zu beseitigen. Dann aber, so Stihl, schließe es sich nicht aus „gute Partner und Wettbewerber gleichzeitig zu sein“.