An der Gesamtschule „Ulrich von Hutten“ in Halle müssen Schüler künftig ihr eigenes Toilettenpapier mitbringen. Die Schule will kein Klopapier auf den Toiletten mehr vorhalten. Der Schulleiter hofft, so den Vandalismus einzudämmen. Kein Einzelfall: Über den Alltag auf den stillen Örtchen an deutschen Schulen.

Wochenend-Magazin: Markus Brauer (mb)

An der Kooperative Gesamtschule (KGS) „Ulrich von Hutten“ in Halle (Saale) in Sachsen-Anhalt müssen Schüler wegen anhaltendem Vandalismus jetzt selbst ihr Toilettenpapier mitbringen. In einem Brief informierte Schulleiter Stephan Wussow die Eltern über die Maßnahme.

 

Brandbrief des Schulleiters an die Eltern

Derzeit würden täglich WC-Papierrollen in die Toilettenbecken gestopft, schreibt Wussow an die Eltern. Dies führe nicht nur zu materiellen Schäden, sondern auch zu erheblichen hygienischen Problemen und Unannehmlichkeiten für die Schüler. Es werde daher empfohlen, eigenes Klopapier mitzubringen. Alternativ sei Toilettenpapier auch im Sekretariat der Schule erhältlich.

Das Problem bestehe schon seit längerem, erklärt Wussow. Es sei sehr bedauerlich, dass durch so eine Aktion die Schule in die Schlagzeilen geraten sei. Dabei engagierten sich die Lehrer und viele Schüler außerordentlich und es gebe viele positive Aktionen.

„Ausdruck von Hilflosigkeit“

„Das ist jetzt auch eine gewisse Hilflosigkeit“, meinte Wussow. Er hoffe, dass sich durch die Gespräche, die die Lehrer jetzt mit der Schülerschaft führten, die Lage wieder bessere und die Maßnahme zu den Ferien Mitte Oktober wieder beendet werden könne.

In den vergangenen Jahren hatten immer wieder Schulen in Deutschland zu drastischen Maßnahmen in ähnlichen Fällen gegriffen. Unter anderem hatte es in Wittenberg  an einer Grundschule eine ähnliche Maßnahme gegeben.

Vielen Schülern stinkt’s zum Himmel

Graffiti in der Toilette einer Jungenumkleide in einer Bremer Schulturnhalle. Foto: Imago/Eckhard Stengel

Verdreckte stille Örtchen, an denen die Klos mit Toilettenpapier und anderem Sachen vollgemüllt sind, die Wände vollgeschmiert, die WC-Brillen – wenn überhaupt vorhanden – beschädigt, die Waschbecken und Armaturen verkalkt, die Urinale übergelaufen, die Fliesen nass und verschmiert sind. Und es stinkt zum Himmel. So sieht der Alltag an vielen deutschen Schulen aus.

Dass Kinder und Jugendliche sich auf den Schultoiletten nicht gerade wohlfühlen, zeigt auch die Studie „Toiletten machen Schule“, die das Institut für Hygiene und Öffentliche Gesundheit (IHPH) der Universität Bonn und die German Toilet Organization in Berlin jüngst gemeinsam durchgeführt haben.

„Die Bestandsaufnahme der Sanitärräume stellt erhebliche funktionelle Einschränkungen, unter anderem durch Beschädigungen, fest“, heißt es in der Untersuchung. Datengrundlage sind Befragungen und Beobachtungen an diversen Berliner Oberschulen.

Hoher Verschmutzungsgrad und mutwillige Zerstörung

Toilettenhäuschen vor einer Grundschule in Nordrhein-Westfalen. Foto: Imago/Funke Foto Service

Doch warum nehmen Schülerinnen und Schüler, aber auch Lehrer den Toilettenbesuch so negativ wahr? Die Befragten beklagen zum Beispiel sichtbare Schäden an den sanitären Anlagen. Außerdem sei teilweise kein oder nur wenig Toilettenpapier vorhanden.

„Es stinkt immer“, geben 41,9 Prozent der Jugendlichen laut Studie zu Protokoll. Nicht einmal die Hälfte der befragten Schulleitungen (41,2 Prozent) stimmt der Aussage zu, dass an ihrer Schule „alle Sanitäranlagen aktuell vollständig funktionell“ sind. 65,9 Prozent der Schüler würden die Notdurft auf der Schultoilette gar nicht erst verrichten. 11,9 Prozent verzichten sogar auf das Pinkeln.

Ekel, Frust und Ärger haben sich bei Schülern, Eltern und Lehrern angestaut

Abgenutztes Toiletten-Inventar in der Justus-von-Liebig-Sekundarschule in Duisburg (NRW). Foto: Imago/Funke Foto Service

„Man riecht sie schon von weitem. Meine Tochter vermeidet es, innerhalb der Schulzeit auf die Toilette zu gehen“, berichtet eine Mutter aus dem brandenburgischen Nauen. „Manche Toiletten sind so alt und versifft, da hilft auch das tägliche Putzen nicht. Den Gestank nach Urin und Fäkalien kriegt man da einfach nicht mehr raus“, betont der Bildungsexperte Wolfgang Seelbach.

Laut einer anderen Umfrage der German Toilet Organization meiden rund 70 Prozent der Schüler in der Bundeshauptstadt die Toiletten. In einer Umfrage von Stern TV gaben 50,7 Prozent der Eltern an, dass ihr Kind den Gang aufs Schul-Klo nach Möglichkeit verschiebe. 12,3 Prozent erklärten, das ihr Sprössling nie auf das Schul-WC gehe.

Wer ist verantwortlich für den Schlamassel?

„Karput – PiPi geht“: Die falsche Rechtschreibung an einer Toilettentür ausgerechnet an einer Schule ist genauso wenig vertrauenserweckend wie der sanitäre und hygienische Zustand dieses Schülerklos. Foto: Imago/Blickwinkel

Die Bildungsministerien verweisen auf die Kommunen und Schulträger, die für die stillen Örtchen zuständig seien. Zum Teil ist der Ärger auch hausgemacht – von den Schülern. Vandalismus sei mitunter ein Problem, vor allem an Schulen mit schwieriger Klientel, sagt Wolfgang Seelbach.

„Für die Situation gibt es ganz unterschiedliche Gründe“, erklärt Torsten Kühne, Staatssekretär für Schulbau und Schuldigitalisierung in Berlin. Zum einen spiele der bauliche Zustand der Schulen eine Rolle. Zum anderen komme es darauf an, wie die Schüler mit den öffentlichen Toiletten umgehen. Außerdem seien die Toilettenräume teilweise gar nicht für eine Nutzung von so vielen Menschen ausgelegt.

„Wenn eine Schule für 500 Kinder gebaut wurde und dauerhaft von 600 oder mehr genutzt wird, dann hat das Folgen fürs Gebäude – und natürlich auch für die Klos“, ergänzt Kühne. Er fordert, dass mehr in die Sauberkeit der Toiletten investiert wird, aber auch, dass alle an einem Strang ziehen, wenn es darum geht, die Zufriedenheit mit der Nutzung der sanitären Anlagen zu erhöhen.