Die Elise-von-König-Gemeinschaftsschule gilt als beispielhaft in Sachen Inklusion. Im Gespräch mit den Schülern zeigt sich jedoch, dass es im Alltag auch immer wieder zu Konflikten kommt.

Wenn Larsy (18) vom vergangenen Schuljahr an der Elise-von-König-Gemeinschaftsschule in Stuttgart-Münster erzählt, huscht ein Lächeln über sein Gesicht. Er wirkt selbstbewusst. Dabei ist nicht immer einfach für ihn gewesen. Im Sport gehört er zu den besten, sich auf Zahlen und lange Texte zu konzentrieren fällt ihm jedoch schwerer als vielen seiner Mitschüler. In der Grundschule wurde ihm eine Lernschwäche attestiert, was bedeutet, dass er von da an einfachere Aufgaben bekommen hat und im Unterricht stundenweise von einem Sonderpädagogen begleitet worden ist.

 

Gemeinsame Lernerfahrung soll Zusammenhalt stärken

Für Kinder mit Förderbedarf bekommt eine Schule vom Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentrum (LBBZ) einen Sonderpädagogen zugewiesen, der entweder in Vollzeit oder stundenweise das Lehrpersonal unterstützt. Die Elise-von-König-Gemeinschaftsschule gilt im Land dabei als beispielhaft bei der Umsetzung der Inklusion. Die Kinder mit Förderstatus sind hier Teil der Klassengemeinschaft und nehmen die meiste Zeit am normalen Unterricht teil. Meistens bekommen sie Aufgaben zum selben Thema wie ihre Schulkameraden. Je nach Bedarf werden sie auch einzeln oder in kleinen Gruppen gefördert, unterstützt von den Sonderpädagogen. Die gemeinsame Lernerfahrung ist aber die Regel. Sie soll alle motivieren und den Zusammenhalt zwischen den Schülerinnen und Schülern stärken. „Indem wir die Kinder zum selbstständigen Lernen ermuntern, stärken wir ihr Selbstbewusstsein,“ sagt Julian Widman, der seit sieben Jahren an der Elise von König-Gemeinschaftsschule unterrichtet.

Der Förderstatus kann für die Schüler belastend sein

Doch wie hat es der Schüler erlebt? Larsy sieht vor allem die Einzelförderung mit gemischten Gefühlen. Einerseits habe sie ihm „sehr geholfen,“ sagt der 18-Jährige. Denn im regulären Unterricht ging es ihm oft zu schnell. In der Einzelbetreuung konnte er den Stoff in seinem Tempo bearbeiten und sich besser konzentrieren. Doch seine Sonderrolle hat ihn auch belastet: „Wenn ich zum Einzelunterricht aus der Klasse gerufen wurde, habe ich manchmal von den anderen Schülern doofe Kommentare oder Blicke abbekommen,“ erzählt er.

Larsy hatte deshalb das Ziel, so schnell wie möglich ganz am regulären Unterricht teilzunehmen und den Förderstatus wieder abzulegen. Seine Mutter unterstützte ihn dabei. „Sie hat gekämpft wie eine Löwin,“ sagt die Schulleiterin Damaris Scholler. Ihr ist es wichtig, in die Familien hineinzuhören und Entscheidungen nicht über die Köpfe der Eltern und Schüler hinweg zu treffen. „Nach vielen Gesprächen sind wir das Wagnis eingegangen und haben gemeinsam entschieden, es ohne Förderstatus zu probieren,“ berichtet Scholler. Mit Erfolg. Larsy hat den Hauptschulabschluss bereits bestanden und bereitet sich nun auf den Realschulabschluss vor.

Simone Fischer wünscht sich mehr Inklusion

Für Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne) ist Larsys Erfolgsgeschichte ein Beleg dafür, wie gut die Zusammenarbeit an der Elise-von-König-Schule funktioniert. Bei einem gemeinsamen Besuch mit der Beauftragten der Landesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderung, Simone Fischer, unterstreicht sie die Bedeutung der Sonderpädagogik im Bildungswesen. „Wir lassen nichts unversucht, um die Unterrichtsversorgung auch in der Sonderpädagogik sicherzustellen und weiter zu verbessern,“ sagt Ministerin Theresa Schopper.

Simone Fischer wünscht sich mehr Inklusionsangebote an Grundschulen und weiterführenden Schulen. Sie ist überzeugt, dass Inklusion auch den Schülerinnen und Schülern ohne Förderstatus zugutekommt. „Die Schüler lernen, aufeinander Rücksicht zu nehmen. Es ist gut, wenn Kinder frühzeitig die Erfahrung machen, dass nicht die Behinderung, sondern der Mensch zählt. Das stärkt die Akzeptanz in der Bevölkerung.“

Inklusion muss in der Lehrerausbildung eine größere Rolle spielen

Nicht nur für die Schülerinnen und Schüler, sondern auch für die Lehrkräfte bedeutet Inklusionsunterricht eine Umstellung. „Frontalunterricht funktioniert bei Inklusionsklassen nicht. Damit ich auf alle Schüler eingehen kann, muss ich mir genügend Freiräume schaffen. Das erfordert mehr Planung,“ erklärt der Lehrer Julian Widman.

Für die Zukunft wünscht sich die Schulleiterin Damaris Scholler deshalb, dass das Thema Inklusion in der Lehrerbildung stärker berücksichtigt wird. Zudem fordert sie, dass Sonderpädagogen nur an einer Schule unterrichten, statt ständig zwischen verschiedenen Schulen hin und herzuwechseln. „Das würde die Zusammenarbeit erheblich erleichtern,“ ist sie überzeugt.

Schülerzahlen

Anzahl der Schüler
Insgesamt besuchen an der Elise-von-König-Gemeinschaftsschule 179 Schülerinnen und Schüler die Primarstufe und 309 Schüler die Sekundarstufe.

Schüler mit Förderbedarf
Rund zehn Prozent aller Schülerinnen und Schüler an der Gemeinschaftsschule haben einen sonderpädagogischen Bildungsanspruch. Alle inklusiv beschulten Schülerinnen und Schüler nehmen auch am Ganztag teil. An der Schule werden 18 Kinder und Jugendliche mit dem Förderschwerpunkt Lernen (L), 14 mit dem Schwerpunkt Geistige Entwicklung (GENT), sieben mit dem Schwerpunkt Emotionale und soziale Entwicklung (ESENT) und drei mit dem Schwerpunkt Körperliche Entwicklung (K) gefördert.