Seit Januar gab es in Deutschland 222 gewalttätige Angriffe gegen Flüchtlingsunterkünfte. Allein in Baden-Württemberg wurde sieben Mal versucht, Unterkünfte anzuzünden. Die Suche nach den Tätern ist meist ohne Erfolg. Eine interaktive Übersicht über die Zahl der Angriffe und den Stand der Ermittlungen.

Politik/Baden-Württemberg: Rainer Pörtner (pö)

Stuttgart - Die Bundesregierung reagierte mit markigen Worten. Innenminister Thomas de Maizière (CDU) kündigte an, den Tätern „mit der gesamten Härte des Rechtsstaates“ entgegen zu treten. Der SPD-Vorsitzende und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel drohte: „Wo wir euch kriegen, werden wir euch bestrafen und hinter Gitter bringen.“ So wie die Minister in Berlin sprachen Politiker allerorten im Sommer dieses Jahres, nachdem in Escheburg, Tröglitz, Meißen, Reichertshofen, Remchingen, Weissach und Nauen in kurzer Zeit Brandanschläge auf bereits genutzte oder geplante Flüchtlingsunterkünfte verübt worden waren.

 

Inzwischen zeigt sich, dass die großen Worte wenig Wirkung zeigten: weder hörten die Übergriffe auf die Quartiere von Schutzsuchenden auf, noch wurden viele Täter geschnappt.

Recherchen von „Zeit“ und „Zeit Online“ ergaben, dass es seit Januar 2015 in Deutschland 222 gewalttätige Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte gab. Darunter waren allein 93 Brandanschläge, außerdem 28 tätliche Angriffe mit Messern, Baseballschlägern und anderen Waffen. Acht Mal wurden Gebäude mit dem Ziel unter Wasser gesetzt, sie unbewohnbar zu machen. Vergleicht man die Gesamtzahl der gewalttätigen Angriffe, dann nimmt das Bundesland Sachsen die Spitzenposition ein: insgesamt 64 Gewaltakte registrierten die Behörden dort seit Jahresbeginn.

Um sich die verschiedenen Ebenen der Grafik ansehen zu können, klicken Sie bitte oben rechts und wählen Sie die Ebene aus, die Sie sich ansehen möchten. 

Für eine gößere Ansicht der Karten klicken Sie hier!

In allen Bundesländern wurden inzwischen Brandanschläge verübt. Sachsen führt auch hier die Länder-Liste mit 18 Fällen an. In Baden-Württemberg gab es bis zum Stichtag 30. November sieben Brandstiftungen in Asylunterkünften.

In der ersten Hälfte des Jahres blieb es im Südwesten meist bei Sachbeschädigungen und tätlichen Angriffen, doch ab Juli eskalierte auch hier die Lage – mit immer mehr Versuchen, Unterkünfte abzufackeln: in Remchingen, Balingen, Weissach im Tal, Riedlingen, Wertheim, Oberteuringen und Remseck am Neckar. In Remseck verhinderte die Feuerwehr, dass der Brand in einem ungenutzten Gasthof auf das unmittelbar daneben stehende Haus für 50 Flüchtlinge übergriff.

104 Menschen wurden verletzt

Auf Basis der „Zeit“-Recherchen dokumentiert die Stuttgarter Zeitung hier alle bundesweit registrierten Vorfälle – mit Erläuterungen der Tatumstände und dem Stand der polizeilichen Aufarbeitung.

Die Übersicht ergibt ein Bild weit verbreiteter Gewalt gegen Flüchtlinge und eines Rechtsstaates ohne Durchschlagskraft. Denn die Polizei konnte nur in weniger als einem von vier Fällen einen Tatverdächtigen ermitteln. Lediglich in vier Fällen haben Gerichte Täter verurteilt, in weiteren acht Fällen wurde Anklage erhoben. Das sind kaum mehr als fünf Prozent aller Angriffe. Die allermeisten Taten sind bis heute nicht aufgeklärt – und das, obwohl bereits 104 Menschen bei Übergriffen verletzt wurden.