Wenn so viele Musiker, Erwachsene wie Kinder, aus der Volksrepublik ins Strohgäu kommen, müssen die Organisatoren um Wilfried Gentner vom SZFZ Musikzug Hemmingen so einiges improvisieren.

Ob er sich schon erholt habe vom vielen Besuch aus China? Wilfried Gentner lacht – ehe er verneint. „Es war maximal stressig und gab viel zu improvisieren, denn einiges kommt doch immer anders als geplant“, berichtet der Vorsitzende des SZFZ Musikzugs über die internationalen Musikbegegnungen in Kooperation mit dem chinesischen Volkskulturkreis. So würden Bläser statt Streicher anreisen oder die Musiker andere Noten auspacken, als sie zuvor an die Hemminger verschickt hatten. Und bis die Chöre, Orchester und Musikgruppen aus sechs Städten Chinas, die über verschiedene Flughäfen in Deutschland eintrafen, erst mal im Strohgäu waren, dauerte es auch seine Zeit. Schließlich waren es gut 230 Gäste, darunter viele Schülerinnen und Schüler, aber auch zwei Erwachsenenorchester.

 

Unterm Strich seien die drei gemeinsamen Tage eine „tolle Zeit mit einer tollen Stimmung“ gewesen, „trotz der unterschiedlichen Sprache und Schriften“, meint Wilfried Gentner. Er habe „nur strahlende Gesichter“ gesehen, bei den Musikern aus dem Ausland ebenso wie beim Publikum, das den beiden Konzerten in der Gemeinschaftshalle und der Laurentiuskirche lauschte. „Man lernt musikalisch voneinander“, sagt Wilfried Gentner. Das sei schon allein deshalb der Fall, weil die Chinesen auch traditionelle Instrumente mit einem für hiesige Ohren teils außergewöhnlichen Klang im Gepäck hätten. Wenn die Dirigenten andere Orchester übernehmen, dann bemerke man andere Herangehensweisen.

Großes Interesse am Schulsystem

Wilfried Gentner beschreibt die chinesischen Musiker als eine „sehr disziplinierte Gesellschaft“. Statt eines großen Hallos oder Smalltalks vor Probenbeginn würden sie strukturiert die Instrumente und Noten rausholen und aufbauen. „In ihrer Freizeit können sie aber relativ locker sein“, sagt Wilfried Gentner und lacht erneut. Beim Tanztraining mit der Gesang- und Sportvereinigung etwa, der GSV. Neben Proben und Konzerten gab es Schulbesuche. Die Gäste schauten sich in Hemmingen die Grundschule an und in Schwieberdingen die Glemstalschule. Sie würden sich sehr für unser Schulsystem interessieren, stellt Wilfried Gentner fest.

Reiner Zufall war es, dass er und der Volkskulturkreis aufeinandertrafen und so die Musikbegegnungen entstanden, die seit dem Jahr 2015 bis zum Ausbruch der Coronapandemie jedes Jahr in Hemmingen waren. Bei einer Veranstaltung sei er mit der Vorsitzenden des Volkskulturkreises aus Stuttgart ins Gespräch gekommen, so Gentner. Der suchte Jugendorchester für ein Konzert mit dem Orchester der Affiliated High School of Peking University – und wählte am Ende die Hemminger aus. „Es ist so toll, dass sich die Zusammenarbeit verstetigt hat“, sagt Wilfried Gentner. Vor der Pandemie sei auch eine Gruppe aus Wuhan dagewesen.

Gute Organisation dank viel Solidarität

Dass die Musikbegegnungen dieses Jahr stattfinden, damit hat der Vereinschef nicht gerechnet angesichts des langen, strikten Lockdowns in der ostasiatischen Volksrepublik – der von jetzt auf gleich aufgehoben wurde. Als klar war, dass ein Besuch möglich ist, sei es „relativ hektisch“ zugegangen, blickt Wilfried Gentner zurück. „Mit viel Solidarität haben wir die Organisation hingekriegt.“ Wenn die Pandemie irgendetwas Gutes hatte, meint Wilfried Gentner, dann, dass die Hilfsbereitschaft in den Vereinen gestiegen sei. Zum Beispiel hätten Kontrabässe gefehlt, da habe schlussendlich Fellbach ausgeholfen. „Die haben uns einfach so die Instrumente im Wert von Tausenden von Euro geliehen“, berichtet Wilfried Gentner. Für ihre Unterkünfte sorgten die Gäste dagegen selbst. Sie wohnten entweder privat oder in Hotels vorwiegend im Raum Böblingen und Sindelfingen.

Den Chinesen einen Gegenbesuch abstatten wird der Musikzug wohl im Jahr 2025. „Wir erhalten ständig Einladungen“, sagt Wilfried Gentner. Kontakt mit chinesischen Musikern haben die Hemminger trotzdem schon vor 2025 wieder: nächstes Jahr bei einem Konzert in der Berliner Philharmonie. Überhaupt reist der Musikzug viel und gern, der mit rund 400 Mitgliedern – darunter 130 Kinder und Jugendliche – zu den größeren Musikvereinen in der Region zählt. War er im Mai in Italien, fährt er im Jahr 2024 auch in die Niederlande.

Zwischen frischem Wind und Tradition

Hier steht dieses Jahr unter anderem ein Auftritt bei der Hemminger Kulturnacht an und die Teilnahme am Trachten- und Schützenzug beim Oktoberfest in München. „Wir haben gute Ausbilder, ein hohes Niveau und spielen alles“, erklärt Wilfried Gentner den Erfolg des Vereins. Er bewege sich zwischen frischem Wind und Tradition. „Wir lassen auch mal die Uniform weg und spielen Jazz.“