Mehrere Organisationen haben in der Innenstadt für die Gleichberechtigung demonstriert.

Stuttgart - Manchmal kommt man zur falschen Zeit am falschen Ort vorbei. Als nicht gerade Freund einer Änderung des baden-württembergischen Wahlrechts mitten in eine Aktion von zig Frauen zu geraten, die genau dafür demonstrieren, ist etwas unangenehm. „Wir alle fordern ein Wahlrechtsreformgesetz, jetzt“, rief Saskia Ulmer, Zweite Vorsitzende des Landesfrauenrates, bei einer Demonstration vor der Stuttgarter Oper in die Menge, als CDU-Fraktionschef Wolfgang Reinhart gerade in Richtung Landtag vorbeilief. Die „Herr Reinhart, Herr Reinhart“-Rufe bewegten den Landtagsabgeordneten zwar zum Stehenbleiben, das angebotene pinkfarbene Plakat lehnte er aber ab.

 

Landesfrauenrat setzt sich für eine Änderung des Wahlrechts ein

Der Landesfrauenrat hatte anlässlich des Internationalen Frauentages zu einem sogenannten Smartmob vor der Stuttgarter Oper aufgerufen. Auf einem pinkfarbenen Teppich hatten die Frauen gleich viele weibliche und männliche „laufende Schuhe“ in Richtung Landtag aufgereiht. Damit sollte das Motto des diesjährigen Frauentags – 100 Jahre Frauenwahlrecht – an dem Ort visualisiert werden, an dem derzeit die Änderung des Landtagswahlrechts beraten wird.

Der Koalitionsvertrag mit den Grünen sieht eine Änderung des Wahlrechts vor, dazu wurde jüngst ein Gutachten erstellt. Das Ziel der Reform wäre es, durch eine Liste mehr Frauen in den Landtag bringen zu können. Reinhardt interpretierte dieser Tage das Gutachten wohl dahin gehend, dass eine Änderung des Wahlrechts mit dem in der Landesverfassung verankerten Persönlichkeitswahlrecht nicht vereinbar ist. Die Demonstrantinnen wiederum wollen die Ablehnung der CDU-Fraktion nicht hinnehmen. „Die Hälfte der Bevölkerung wird in diesem Land verdammt schlecht repräsentiert“, sagte Grünen-Landeschefin Sandra Detzer bei der Kundgebung. DGB-Landesvize Gabriele Frenzer-Wolf zitierte die französische Frauenrechtlerin Olympe de Gouges: „Die Frau hat das Recht, das Schafott zu besteigen; sie muss gleichermaßen das Recht haben, die Tribüne zu besteigen.“ 1791 hat die Französin dies in ihrer „Erklärung der Rechte als Frau und Bürgerin geschrieben“. Seitdem machten sie an dem Thema rum, sagte Frenzer-Wolf.

Der Arbeitskreis Alleinerziehende fordert bezahlbaren Wohnraum in Stuttgart

Doch natürlich gab es in den vergangenen Jahrzehnten durchaus Errungenschaften in puncto Gleichberechtigung: 60 Prozent weibliche Studierende im Iran; Frauen weniger Gehalt zu bezahlen, ist in Island nun strafbar, und in Deutschland werden im Ausland geschlossene Kinderehen nicht mehr anerkannt. Der Arbeitskreis der Autonomen Frauenprojekte machte auf positive Entwicklungen mit einer Zeitungsperformance auf dem Marktplatz aufmerksam.

Kunstmappen dienten als Zeitungen, in denen in bunten Buchstaben Beispiele für die verbesserte Situation der Frau standen. Passanten durften in den gebastelten Zeitungen lesen. „Wir haben uns dafür entschieden, mal positive Entwicklungen aus dem Jahre 2017 zum Thema zu machen“, erklärt Heike Fischer vom Arbeitskreis der Autonomen Frauenprojekte. Auch in Stuttgart sei im vergangenen Jahr das Personal für Frauenarbeit aufgestockt worden. Trotzdem gebe es für das Frauenhaus öfter längere Wartelisten.

Deutlich fordernder traten die Aktivistinnen des Arbeitskreises für Alleinerziehende auf. Unter dem Motto: „Lasst uns nicht im Regen stehen!“ versammelten sie sich mit bunten Schirmen zu zwei Flashmobs auf dem Schlossplatz. Sie forderten mehr bezahlbaren Wohnraum für Alleinerziehende in Stuttgart. Hier fehlt es laut einem Jahresbericht von 2016 an 4000 Wohnungen – und gerade Menschen mit mittlerem oder niedrigem Einkommen hätten es schwer.