Reportage: Frank Buchmeier (buc)


So weit komme ich mit. Ich habe aber im Vorlesungsverzeichnis der Kunstakademie die Kommentare zu Ihren Lehrveranstaltungen gelesen und wenig verstanden.


Woher kommt Ihr Anspruch, dass eine spezielle Ausbildung und die Angebote, die dazu führen, so verfasst sein müssen, dass sie für jedermann nachzuvollziehen sind? Ein Studium ist eine Form der Arbeit. Auch Kunst zu rezipieren ist Arbeit, auch wenn man es manchmal eher so erfährt, als ob es mit einem oder in einem arbeite.

Ich habe den Eindruck, dass Sie enorm anspruchsvoll sind.


Man sollte an Aufgaben wachsen. Deshalb darf sich die Lehre an einer Hochschule nicht daran orientieren, was die Studenten eh schon verstehen. Der Diskurs über Kunst kann nicht für jeden ohne jegliche Arbeitsleistung sofort verständlich sein.

Schon recht, aber wenn nur ganz wenige Ihren Ausführungen folgen können, werden ganz viele von diesem Erkenntnisprozess ausgeschlossen. Wenden Sie sich an eine Elite?


Ich wende mich an die Studierenden, und von denen schließe ich niemanden aus. Würden Sie einen Professor für Quantenphysik dasselbe fragen?

Nein, weil ich von Quantenphysik keinen Schimmer habe. Aber ich habe einen geistes- und sozialwissenschaftlichen Hochschulabschluss und Dutzende Museen besucht.


Deswegen meinen Sie, dass Sie Foucaults, Kants oder Lacans Gedanken zur Kunst automatisch verstehen, ohne sich weiter intensiv damit auseinanderzusetzen? Oder zeitgenössische Kunst? In einem Punkt gebe ich Ihnen recht: Wenn es um Kunst geht, besteht der Anspruch, dass sie irgendwie für alle sein soll. Das ist auch berechtigt, und die Kunst wendet sich auch an alle. Gleichzeitig gibt es aber das Phänomen, dass die Kunst schon lange nicht mehr Teil der Religion ist oder eingebettet in die Repräsentationen der Politik und einer sozialen Gemeinschaft, die der Kunst ihren Platz gibt und ihr Verständnis vermittelt. Sie ist in der Moderne ein eigenständiges, von außen schwer durchschaubares System.

Das widerspricht aber Ihrem Kunst-ist-für-alle-Anspruch.


Dieser Widerspruch ist nicht meiner, sondern steckt seit dem Anfang der Moderne in der Sache! Dass Kunst eine universelle Dimension hat, heißt nicht, dass sie selbstverständlich wäre oder geschmäcklerisch, fast schon eher das Gegenteil. Daher bestehe ich darauf, dass sich ein Interesse an Kunst nicht ohne intensive Beschäftigung befriedigen kann, sie ist sperrig und kein Konsumgut. Das hat nichts mit elitär zu tun, ich bin der Allerletzte, der populärkulturellen Ereignissen wie Fernsehen oder Pop abspricht, gleichberechtigter Teil von ästhetischen Phänomenen sein zu können.

Dann bin ich beruhigt und will Sie nicht länger mit meinem Halbwissen quälen. Worüber sollen wir uns stattdessen unterhalten?


Fußball! Auch ein ästhetisches Phänomen: wenn wir Schillers Worte abwandeln, könnte man sagen, Fußball ist "Freiheit in der Erscheinung".

Wer wird Weltmeister?


Hoffentlich Deutschland!

Der Sohn von Gudrun Ensslin und Bernward Vesper ist nicht nur Beamter auf Lebenszeit, sondern drückt auch unserer Nationalmannschaft die Daumen?


Es kommt noch besser: ich bin seit meiner Kindheit Bayern-München-Fan.