Düstere Stimmung in schöner Landschaft: der gebürtige Finne Hannu Salonen hat die ZDF-Reihe „Die Toten vom Bodensee“ übernommen darf nun vor seiner „Haustür“ drehen.

Stuttgart - Hannu Salonen lebt schon seit vielen Jahren am Bodensee. Deshalb hat der Krimispezialist, der eine Vielzahl von „Tatort“-Episoden gedreht hat, einen besonderen Bezug zur Landschaft. Ein Gespräch über das, was die „Die Toten vom Bodensee“ von anderen Krimireihen unterscheidet.

 
Herr Salonen, Sie haben Dutzende von Krimis in ganz Deutschland gedreht, aber noch nie am Bodensee. Ist es etwas Besonderes, nun quasi vor der Haustür arbeiten dürfen?
Tatsächlich hatte ich die Hoffnung schon beinahe aufgegeben. Ich lebe hier seit 14 Jahren und betrachte die Region als meine zweite Heimat, insofern ist es wirklich ein Glücksfall, dass ich jetzt „Die Toten vom Bodensee“ drehen darf. Das hat aber gar nichts damit zu tun, dass ich abends in meinem eigenen Bett schlafen möchte. Das klappt sowieso meistens nicht, weil wir überwiegend in Vorarlberg drehen und ich auf der anderen Seeseite wohne. Übrigens wussten die Produzenten gar nicht, dass ich hier lebe.
Sie haben viele Sonntagskrimis für die ARD inszeniert, aber nie einen „Tatort“ aus Konstanz. Warum nicht?
Anfragen gab es durchaus. Für mich ist aber entscheidend, dass ich gerade in solchen Fällen Gefallen an den Figuren und am Format finde, und diese große Lust habe ich beim „Tatort“ aus Konstanz nicht gespürt. Einige Episoden fand ich wirklich gut, aber was mich am meisten gestört hat, war die Tatsache, dass es immer nur ein paar Drehtage in und um Konstanz gab, der Rest ist in Baden-Baden gedreht worden. Wenn ein Film am Bodensee spielt, dann sollte er auch ausschließlich hier entstehen.
Der SWR hat das mit höheren Kosten am See begründet. Ist das bei Ihren Filmen anders?
Im Gegenteil, und deshalb habe ich auch Verständnis für den SWR; es ist in der Tat sehr teuer, hier zu drehen. Auch in Vorarlberg sind die Hotels nicht darauf angewiesen, ihre Zimmer an ein Filmteam zu vermieten, von der schlechten Anbindung an einen großen Flughafen ganz zu schweigen. Die Reihe ist eine Koproduktion mit dem ORF, das Team kommt größtenteils aus Wien, die Anreise dauert sieben Stunden, weshalb die Kollegen nicht mal übers Wochenende nach Hause können. Auch logistisch ist der Bodensee aus Sicht eines Filmteams eine echte Herausforderung, aber die Filme profitieren enorm von den Schauplätzen. Deshalb ist mir auch so wichtig, dass man ihnen ansieht, wo sie entstanden sind.
Was unterscheidet „Die Toten vom Bodensee“ von anderen Krimireihen?
Das sind vor allem zwei Aspekte, und beide waren auch der Grund, warum ich sofort zugesagt habe: zum einen die beiden Hauptfiguren und ihre Darsteller Matthias Koeberlin und Nora Waldstätten; gerade der Kontrast zwischen dem bodenständigen deutschen Oberländer und der mysteriösen Österreicherin Zeiler ist für mich sehr reizvoll. Zum anderen die Tatsache, dass es in den Geschichten regelmäßig um Menschen geht, die Geheimnisse hüten; der See sorgt dafür, dass sie irgendwann an die Oberfläche gelangen. Das gilt ja auch für Hannah Zeiler, die immer wieder von einem Kindheitstrauma überwältigt wird. Diese durchgehende Erzählebene ist in Krimireihen sehr selten.
Der „Tatort“ aus Konstanz ist oft im Herbst oder im Winter gedreht worden, weil die Gegend im Sommer zu paradiesisch für einen Krimi ist. Oder empfinden Sie das anders?
Nein, im Gegenteil. Meine ersten beiden Filme für „Die Toten vom Bodensee“ sind letztes Jahr im Spätsommer und im Herbst entstanden, da war es noch relativ einfach, gegen die Schönheit anzukommen. Wir drehen zur Zeit die Episoden sechs und sieben, und jetzt im Frühling ist es fast unmöglich, eine düstere „Nordic noir“-Stimmung entstehen zu lassen, wie man sie aus den skandinavischen Krimiserien kennt. Die Sonne scheint, alles blüht; das ist wunderschön, aber nicht für einen Krimi. Mein Kameramann Jo Molitoris und ich nennen das Phänomen „Es pilchert“, wenn wir wieder mal dafür sorgen müssen, dass die Bilder nicht zu anmutig werden. Natürlich könnten wir auch im Winter drehen, da passt die Atmosphäre perfekt, aber dann sieht man vor lauter Nebel den See nicht mehr, das wollen wir auch nicht.
In dem Film „Die Braut“, den das ZDF am 1. Mai zeigt, sind die Bilder trotzdem kühl, obwohl die Sonne scheint. Wie erreichen Sie diese Wirkung?
Wir haben viel mit Gegenlicht gearbeitet. Auf diese Weise lässt sich die nötige dramatische Stimmung erzeugen, um zum Beispiel die fröhliche Atmosphäre der Hochzeitsfeier gleich zu Beginn des Films zu brechen. Den Rest besorgt dann die Lichtbestimmung bei der Postproduktion, also in der anschließenden Bearbeitung.
Spüren Sie beim Drehen in Ihrer zweiten Heimat eine besondere Verantwortung?
Auf jeden Fall. Ich drehe zwar gerade in Österreich, fühle mich aber trotzdem wie zu Hause. Auch nach so vielen Jahren empfinde ich dieses Vierländereck mitten im Herzen Europas als außergewöhnlich. Ich habe mich schon immer als ein sehr europäischer Mensch gefühlt, aber nie so sehr wie am Bodensee.