Politik: Matthias Schiermeyer (ms)
Freier, die wissentlich mit Zwangsprostituierten Sex haben, machen sich künftig strafbar. Kann ein Mann dies wirklich erkennen – und wie soll nachgewiesen werden, dass er es hätte erkennen müssen?
Jetzt bin ich zutiefst davon überzeugt, dass man auch als Freier erkennen kann, ob man einer Prostituierten gegenüber steht, die aus freien Stücken dem Beruf nachgeht oder gezwungen wird. Auf dem Straßenstrich in Berlin stehen Frauen mit Brandverletzungen und fehlenden Zähnen, manche werden bewacht. Und wer im Stuttgarter Leonhardsviertel unterwegs ist, weiß in der Regel, was der Geschlechtsverkehr kostet. Wenn sich eine Prostituierte morgens um drei auf acht Euro runterhandeln lässt, weil sie noch keinen Kunden hatte, muss dem Mann der Verdacht kommen, dass sie nicht freiwillig dort ist. Ich bin mir sicher: Solche Dinge können auch nachgewiesen werden. Wenn der Freier es aber erkennt und meldet, entfällt die Strafbarkeit.
Der Hauptvorwurf gegen die Anmeldepflicht lautet, dass die Betroffenen durch die Zwangsbesuche bei den Behörden zwangsgeoutet und stigmatisiert werden?
Diesen Vorwurf kann ich noch nicht einmal nachvollziehen. Jeder, der in irgendeiner Form bei uns ein Gewerbe betreiben möchte, muss sich anmelden. Dass ein schlichter Behördenkontakt – je nach Alter alle ein bis zwei Jahre – stigmatisierend sein soll, halte ich für absurd. Dennoch verstehe ich den Wunsch etwa einer Gelegenheitsprostituierten nach Diskretion. Deshalb führen wir die Aliasbescheinigung ein. Die Anmeldung hat den Vorteil, dass die Prostituierten erstmals in Deutschland überhaupt sichtbar sind. Die Behörden haben bisher kaum einen Überblick, wo Menschenhandel stattfindet. Wenn ich solche Dinge unterbinden will, muss ich sichtbar machen, wer sich in Deutschland aufhält. Dann erst kann man sich um diese Frauen kümmern. Außerdem werden sie über elementare Rechte informiert, etwa dass sie ihren Lohn nicht an Dritte abführen müssen.
Es gibt verpflichtende Gesundheitsberatungen, aber keine –untersuchungen?
Letzteres wäre der frühere „Bockschein“ gewesen – damals musste die Prostituierte die regelmäßige Untersuchung nachweisen. Das wollten wir nicht. Stattdessen wollen wir eine Zuhälter-freie Zone. Wir schaffen Freiräume, um sich auch über einen Ausstieg informieren zu können. Deswegen haben wir für die Beratung gekämpft. Sie soll zunächst mal allein für die Frau stattfinden – in einer Sprache, die sie versteht. Da kann man jemanden hinzuziehen. Die Behörde – in aller Regel das Gesundheitsamt – wird sich davon überzeugen, dass es eben nicht der Zuhälter ist.
Sind die Ämter darauf vorbereitet?
Wenn ich sehe, was in Stuttgart schon geleistet wird, gehe ich davon aus, dass die das aus dem Stand können. Es wird aber sicher Gesundheitsbehörden geben, die noch nicht darauf vorbereitet sind. Das Gesetz tritt am 1. Juli 2017 in Kraft. So bleibt ausreichend Zeit zur Vorbereitung.
Werden Sie weiter für strengere Regelungen kämpfen?
Das Gesetz hat eine Evaluierungsverpflichtung nach fünf Jahren. Jetzt muss man erst mal schauen, ob es fruchtet. Wenn ich sehe, dass sich Prostitution weiter verändert von der Freiwilligkeit zur Armuts- und Zwangsprostitution, werde ich mich sehr dafür einsetzen, dass sie verboten wird.