Reportage: Frank Buchmeier (buc)


Neben dem irischen Wahl-Pariser Beckett haben Sie unzähligen französischen Intellektuellen Ihre Heimat gezeigt: Nathalie Sarraute, Marguerite Duras, Michel Leiris, Claude Simon, Michel Butor . . .
Als junger Deutscher der Nachkriegsgeneration wollte ich meinen französischen Freunden verdeutlichen, dass unser Land nicht nur den barbarischen Nationalsozialismus, sondern auch großartige Dichter und Denker hervorgebracht hat. Das Tübingen von Hölderlin und Hegel mit seiner von Bomben unberührten Altstadt schien mir der ideale Ort hierfür zu sein. Ich habe mich immer um den deutsch-französischen Austausch bemüht, das hat meinem Leben einen Sinn gegeben, vielleicht den einzigen Sinn.

Das sagt ein Mann, der als Kunstpapst gilt?
Mein ursprüngliches Ziel habe ich verfehlt. Sieht man von meiner Autorentätigkeit ab, war ich nicht selbst schöpferisch tätig, sondern als Vermittler. Das ist irgendwie ein Schattendasein. Ich bin nie von dem überzeugt, was ich mache, auch mit meinen Texten bin ich selten zufrieden.

Unzufriedenheit ist ein starker Antrieb.
Sie haben recht, davon war ich Zeuge: Fast alle großen Künstler leiden an Selbstzweifeln. Max Ernst war zu klug, um zu glauben, dass er etwas Definitives geschaffen hat. Er hatte Momente, in denen er den Erfolg genoss, aber dieses Gefühl war nie von Dauer.

Wann spürten Sie Glück?
Die ersten Bücher, die ich über die Werke von Picasso und Max Ernst veröffentlichen durfte, haben mich beglückt, aber auch viele Ausstellungen, die ich gemacht habe, darunter hierzulande die Max-Ernst-Retrospektive in der Stuttgarter Staatsgalerie, die Ausstellung „Picasso – die Welt der Kinder“ oder in der Tübinger Kunsthalle Max Ernst, Picasso und Warhol. Ich fühle mich immer glücklich, wenn ich in die nähere schwäbische Heimat komme, nach Rottenburg, Tübingen oder Rottweil.

Wir kommen nicht drum herum, auch Ihr größtes Unglück anzusprechen: 2010 wurden Sie in einen Fälscherskandal verwickelt.
Der ständige Hinweis auf die Beltracchi-Affäre nimmt mir jeden Lebensmut! Ich habe sieben gefälschte Max-Ernst-Bilder für echt gehalten, das hat mich völlig zerstört. Doch es schmerzt mich auch, dass in   diesem Zusammenhang bewusst verschwiegen wird, dass ich nicht nur Max Ernsts Werk weltweit durch meine Ausstellungen und Publikationen durchgesetzt habe, sondern dass ich über 400 Fälschungen aus dem Verkehr gezogen habe.

Eine Lebensgeschichte ohne dramatische Brüche wäre langweilig.
Im Grunde habe ich diese Erfahrung gemacht. Hinter jedem Glück steckt eine Vorstellung von Unglück. Wer nie unglücklich war, kann nicht wissen, was Glück ist. Was ich in der Kindheit erlebt habe, ist die Voraussetzung dafür, dass ich im späteren Leben glückliche Momente haben konnte.