Homophob, europafeindlich, antiamerikanisch: mit enttäuschten Fans der zerfallenden AfD will der FDP-Vize Wolfgang Kubicki, wie er im Interview der Stuttgarter Zeitung bekennt, nichts zu tun haben.

Berlin – - Mehrwertsteuer in Griechenland rauf, Renten runter? Quatsch, sagt Kubicki. An die Privilegien der Reichen müsse man ran. Das sei nicht links, sondern liberal in Reinform.
Herr Kubicki, wie bewerten Sie die Einigung in der Griechenland-Krise?
Sie wird Griechenland nicht helfen und verschafft den europäischen Staaten nur etwas Zeit. Denn die Grundprobleme bleiben. Ich wundere mich außerdem, dass die Staats- und Regierungschefs ausgerechnet in einer Rezession Griechenland eine Erhöhung der Mehrwertsteuer abverlangen. Das ist ökonomisch völlig falsch. Auf der anderen Seite werden die vielen Privilegien etwa der Reeder oder der orthodoxen Kirche nicht angefasst. Allein aus diesen Quellen könnte man mehr Kapital zur Bewältigung der Haushaltsprobleme schöpfen als durch Mehrwertsteuererhöhung und Rentenanpassung.
Haben wir was verpasst: Sind Sie zur Linken gewechselt?
Quatsch. Das ist liberales Denken in Reinform, weil Sie keinen echten Liberalen finden werden, der für Privilegien eintritt. Ich will, dass Menschen, Institutionen und Einrichtungen in einem Rechtsstaat gleich behandelt werden. Wenn ich in Griechenland etwas zu sagen hätte, würde ich deshalb dem griechischen Parlament als erste Aufgabe auferlegen, das Reederprivileg aus der Verfassung heraus zu nehmen.
Hat Griechenland den Euro noch verdient?
Um diese Frage geht es nicht. 19 Staaten haben sich darauf geeinigt, sich in einem Währungsraum nach gemeinsamen Regeln zu organisieren. Das setzt durchaus Anpassungen voraus, wie sie in Brüssel vereinbart wurden, weil im gleichen Währungsraum nicht auf Dauer eine unterschiedliche Fiskal- und Wirtschaftspolitik betrieben werden kann. Aber man muss einfach sehen, dass zwischen dem, was ökonomisch sinnvoll ist und dem, was politisch umgesetzt werden kann, in Griechenland ein himmelweiter Unterschied besteht. Die griechische Bevölkerung fürchtet zu Recht, dass die Schwachen immer mehr schultern müssen und diejenigen, die es sich leisten können, Geld oder sich selbst ins Ausland zu verbringen, am Ende mit keinem Eurocent für die Krise bezahlen. Man müsste deshalb dringend über einen Lastenausgleich diskutieren mit dem Ziel, dass die Reichen einen Teil ihres Vermögens für einen bestimmten Zeitraum zur Verfügung stellen müssen, um damit der Probleme Herr zu werden.
Wer soll das in Griechenland durchsetzen?
Das ist das Hauptproblem. Es gibt keine funktionierende staatliche Struktur, da können die Regierungen in Athen beschließen, was sie wollen. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, wenn ein Liberaler, der hierzulande Überbürokratisierung beklagt, in Griechenland nach mehr funktionierender Bürokratie ruft. Wir brauchen in Griechenland endlich eine intakte Verwaltung und eine schlagkräftige Justiz, die Maßnahmen um- und durchsetzen können. Deshalb ist auch die Einigung in Brüssel nicht viel wert, weil diese Maßnahmen von den griechischen Behörden am Ende gar nicht umgesetzt werden können.