Wolfgang Böckle und Nunzio Chiumenti haben vor 25 Jahren das Schlemmen am See erfunden. Anfangs hieß das Fest Fressgässle – über diesen Diminutiv ist es aber längst hinausgewachsen: Von Mittwoch, 23. Juli, an verköstigen 27 Gastronomen an fünf Tagen rund 60 000 Besucher.

Böblingen: Kathrin Haasis (kat)
- Aus der Imagekampagne ist eine Tradition geworden: Seit 1991 kochen Böblinger Gastronomen im Sommer ein gemeinsames Süppchen. „Schlemmen am See“ lautet ihr Motto mittlerweile. Zum 25-jährigen Bestehen blicken Wolfgang Böckle und Nunzio Chiumenti zurück: Der Seniorchef vom Hotel-Restaurant Zum Reussenstein und der Gastronomie-Geschäftsführer der Schönbuchbrauerei haben die Veranstaltung initiiert.
Herr Böckle, Herr Chiumenti, eigentlich heißt es doch, dass viele Köche den Brei verderben. Wie sind Sie also auf die Idee gekommen, sich gemeinsam an den Herd zu stellen?
Wolfgang Böckle Wir wollten an unserem Image arbeiten. Damals, Ende der 1980er Jahre, hatten Gaststätten einen schlechten Ruf. Böblingen galt als Hochburg der Drogenszene. Deshalb haben wir einen Stammtisch ins Leben gerufen – und in der Runde ist die Idee entstanden. In der Not rückt man zusammen.
Nunzio Chiumenti Wir wollten einen Marktplatz schaffen, auf dem sich die Gastronomie des Landkreises unter freiem Himmel präsentieren kann. Es sollte aber kein Rote-Wurst-Fest werden, sondern ein Böblinger Fressgässle – nach dem Vorbild der Frankfurter Fressgasse. Wir haben von Anfang an viel Aufwand betrieben. Zum Auftakt auf dem Marktplatz waren 14 Gastronomen dabei, auf den Biertischen lag Lackfolie, das galt damals als edel. Mittlerweile ist ein richtiger Sport daraus geworden, immer schönere Zelte aufzustellen – mit Kronleuchter und toller Dekoration.
Man hat den Eindruck, Sie wollen dem Stuttgarter Stadtfest den Rang ablaufen. Dessen Markenzeichen ist das weiße Zelt . . .
Böckle Das ist nicht unser Sinn. Den Kollegen wollen wir nichts wegnehmen. Aber Stuttgart ist von Anfang an unser großes Vorbild gewesen. Das Stadtfest wurde auch in den 1990er Jahren begonnen. Und der Grundgedanke der beiden Veranstaltungen ist der gleiche.
Und der wäre?
Chiumenti Die Qualität. Wir wollen auf jeden Fall hochwertige Speisen und Getränke anbieten – und für eine schöne Atmosphäre sorgen. Das Ambiente zählt. Ein professionelles Erscheinungsbild ist hier wichtiger als der Umsatz.
Wie geht es den Betrieben momentan?
Chiumenti Ich glaube, ganz gut. Ich höre jedenfalls niemanden klagen.
Böckle In Böblingen gibt es Leerstand bei Einzelhandelsflächen, aber in der Gastronomie nicht. Das war vor einigen Jahren auch noch anders. Uns geht es hier auf alle Fälle nicht schlechter als anderswo. Wir beleben die Innenstadt.
Schlemmen am See lockt tatsächlich die Massen.
Chiumenti Es ist immer vom Wetter abhängig. Aber wir haben viel mehr Zulauf als früher. Beim Fressgässle auf dem Marktplatz gab es nur 1500 Sitzplätze. Deshalb sind wir im Jahr 2003 an den Unteren See umgezogen. Mittlerweile machen auch mehr als zwei Dutzend Betriebe mit und bis zu 60 000 Besucher kommen an den fünf Tagen. Manchmal wird es sogar zu voll. Manche Gastronomen würden die Veranstaltung gerne auf zehn Tage ausdehnen.
Was zieht das Publikum an?
Chiumenti Zum Beispiel Thomas Heiling vom Palladium. Er kocht in seiner Zeltstadt mit einem Mikrofon-Headset und macht eine richtige Show. Das ist zum Entertainment geworden. Die Pfefferburg ist das Gegenteil davon: Sie hat nur ein kleines Zelt, ist aber mit ihrem Flammlachs, der über einer Feuerstelle geräuchert wird, auch ein Highlight von Schlemmen am See.
Böckle Hier wird eben die ganze Bandbreite präsentiert – vom Fernsehkoch Timo Böckle über das asiatische oder kroatische Lokal bis hin zum Italiener.
Besteht die Gefahr, dass so ein Fest in die Jahre kommen kann?
Chiumenti Eine Sache bleibt dann attraktiv, wenn man ständig daran arbeitet. Man muss sich aktualisieren. Dieses Jahr gibt es zum 25-jährigen Bestehen ein Musikfeuerwerk. Und große Konzerte stehen nicht mehr so im Vordergrund wie bisher. Am Unteren See haben wir erstmals Straßenkünstler-Acts im Programm. Wir bespielen nur noch eine Bühne auf dem Parkdeck bei der Kongresshalle.
Böckle Es ist wie in einer Ehe. Die hält auch nur viele Jahre, wenn man daran arbeitet. Von der Landesgartenschau im Jahr 1996 haben nur zwei Veranstaltungen überlebt – wir und der Sommer am See. Wir haben etwas daraus gemacht.
Haben Sie darüber nachgedacht, sich in die hergerichtete Bahnhofstraße auszudehnen?
Böckle Nein. Wir wollen, dass die Menschen guten Mutes vom Bahnhof zum Elbenplatz laufen und dass sie das Gefühl haben, in einer schönen Stadt zu sein.
Sind Sie eigentlich froh, wenn Schlemmen am See wieder vorbei ist?
Chiumenti Wenn der Abbau vorbei ist und wir das Fest verräumt haben, machen wir ein Abschlussessen. Das ist immer ein tolles Erlebnis: Alle sind fix und foxi, aber es ist ein schönes Gefühl, wieder ein erfolgreiches Fest gemacht zu haben.
Böckle Mir ist viel lieber, wir machen solche aufwendigen Sachen als einen Preiskampf unter uns.