Gentechnik soll Nutzpflanzen widerstandsfähiger machen. Foto: dpa/Armin Weigel
Die Grünen-Politikerin Theresia Bauer gehört zu den wenigen in ihrer Partei, die für die Nutzung neuer Gentechnikverfahren in der Pflanzenzüchtung plädieren. Auch Biobauern könnten davon profitieren, sagt die frühere baden-württembergische Wissenschaftsministerin.
Diese Woche hat die EU-Kommission Vorschläge für eine Lockerung der strengen Regeln für die grüne Gentechnik vorgelegt. Die Landtagsabgeordnete und frühere Ministerin Theresia Bauer hält diesen Schritt für überfällig.
Frau Bauer, viele in Ihrer Partei sehen die Vorschläge der EU-Kommission zur grünen Gentechnik kritisch. Wie ist Ihre Meinung?
Das bisherige Gentechnikgesetz stammt aus dem Jahr 2001. Seitdem hat die Wissenschaft gewaltige Fortschritte gemacht. Was man heute mit den neuen gentechnischen Verfahren machen kann, ist nicht vergleichbar mit dem, was wir aus den Anfangsjahren der Gentechnik kennen. Deshalb ist es überfällig, dass die EU-Kommission dieses Thema jetzt angeht. Die bisherigen Regeln sind ein massives Forschungshindernis.
Inwiefern?
In der EU sind zum Beispiel de facto keine Freilandversuche mit genomeditierten Pflanzen möglich. Wenn nichts passiert, wandert diese Forschung in andere Länder ab, die mehr Freiräume bieten. Beispiel dafür sind die USA, China oder Brasilien. Auch in Europa schreiten andere voran. Die Schweiz und Großbritannien haben ihre Regeln für die grüne Gentechnik bereits gelockert. Klar ist: Der Markt dafür wird in den nächsten Jahren deutlich wachsen. Angesichts des Klimawandels brauchen wir schnell Nutzpflanzen, die besser mit Hitze und Dürre zurechtkommen und weniger Pflanzenschutzmittel brauchen. Dabei können die neuen Methoden helfen.
Bedient die EU mit ihrem Vorstoß nicht in erster Linie die Interessen der Agrarindustrie?
Im Gegenteil. Die alten, extrem strengen Zulassungsvorschriften haben es fast nur großen Konzernen ermöglicht, auf diesem Gebiet zu forschen. Für öffentliche Einrichtungen und kleinere Züchter war das meist zu aufwendig. Mit weniger restriktiven Regeln bekommen auch sie wieder eine Chance, zumal die neuen Methoden auch vergleichsweise kostengünstig sind. Am Ende könnte das zu mehr Sortenvielfalt beitragen.
Theresia Bauer Foto: dpa/Bernd Weissbrod
Wenn nicht alles von großen Saatgutkonzernen patentiert wird.
Das stimmt. Im Vorschlag der Kommission wird das Thema Patente zwar nicht angesprochen, aber die Politik muss das auf jeden Fall im Auge behalten und mit den richtigen Rahmenbedingungen dafür sorgen, dass kleinere Unternehmen nicht benachteiligt werden.
Bis jetzt sind Ihre Positionen zur grünen Gentechnik in Ihrer Partei nicht mehrheitsfähig. Kann sich das in absehbarer Zeit ändern?
Ich habe schon den Eindruck, dass sich da was bewegt. Vor allem wenn ich mir die Jungen in unserer Partei anschaue, bin ich durchaus zuversichtlich. Da gibt es viele, die sich mit Naturwissenschaften beschäftigen. Und von denen höre ich innovative und sehr kompetente Töne. Daher hoffe ich, dass die Stimme der Wissenschaft in unserer Partei lauter wird. Es kann doch nicht sein, dass wir auf die Wissenschaft hören, wenn es um Klimaschutz, Künstliche Intelligenz oder Impfstoffe geht – und bei anderen Themen sagen: Wir nehmen die Forschungsergebnisse zur Kenntnis, handeln aber nicht danach.
Eine wachsende Zahl von Menschen zweifelt generell an der Wissenschaft. Bereitet Ihnen das Sorgen?
Allerdings. In einer Zeit mit immer schnelleren Veränderungen wäre es fatal, am Status quo festzuhalten. Wir müssen offen bleiben für neue Technologien und neue Erkenntnisse nutzen. Wenn wir verlangen, dass bei jeder Innovation immer erst der Nachweis geführt werden muss, dass selbst das geringste Risiko ausgeschlossen ist, wird es schwer werden, künftige Probleme zu lösen.
Auch Biobauern sind gegen die Lockerung der Gentechnikregeln.
Es ist legitim, dass die ökologische Landwirtschaft die Reformpläne skeptisch sieht. Biobauern versprechen ihren Kunden, keine Gentechnik einzusetzen, und haben nun Angst, dass ihre Produkte kontaminiert werden könnten. Deshalb braucht es vernünftige Abstandsregeln. Das ist allerdings nicht Sache der EU, sondern der einzelnen Mitgliedsländer. Ich glaube schon, dass eine Koexistenz von Landwirtschaft mit und ohne Gentechnik möglich ist. Dazu wird auch die von der EU vorgeschlagene Registrierungspflicht für gentechnisch veränderte Pflanzensorten beitragen.
Könnten nicht auch Biobauern von der neuen Gentechnik profitieren – etwa von Sorten, die widerstandsfähiger gegen Pilzkrankheiten sind?
Auf jeden Fall. Bislang bekämpfen Biobauern solche Krankheiten zum Teil mit Kupferpräparaten, die zu einer Kupferanreicherung im Boden führen. Wenn es dafür eine Alternative in Form resistenter Sorten gäbe, könnte das doch ein Fortschritt sein. Aber die Anbauverbände lehnen die neue Gentechnik bis jetzt kategorisch ab. Biokunden sind bei diesem Thema eben besonders skeptisch.
Dabei birgt die neue Gentechnik aus wissenschaftlicher Sicht keine größeren Gefahren für Verbraucher als konventionelle Züchtung.
Das mag sein. Aber die Bauern können die Wünsche ihrer Abnehmer nicht ignorieren. Deshalb wird es weiterhin eine Selbstverpflichtung des ökologischen Landbaus geben, auf gentechnisch veränderte Sorten zu verzichten. Vielleicht ändert sich das mal, wenn mehr Leute verstehen, dass Genome Editing keine Hochrisikotechnologie ist.
Grünen-Abgeordnete
Person Theresia Bauer (Jahrgang 1965) sitzt seit 2001 im Landtag von Baden-Württemberg. Die Grünen-Abgeordnete vertritt den Wahlkreis Heidelberg. Von Mai 2011 bis September 2022 war sie Landesministerin für Wissenschaft, Forschung und Kunst.
Position Bauer plädierte bereits 2018 in einem Gastbeitrag im „Spiegel“ dafür, die Möglichkeiten neuer Gentechnikverfahren auch in der Landwirtschaft zu nutzen.