„We stand with Israel“ lautete das Motto der Solidaritätskundgebung am Montagabend auf dem Stuttgarter Marktplatz. Geschätzte 500 Teilnehmer kamen. Darunter Prominenz aus Politik und Kirche. Einiges davon bleibt in Erinnerung.

Stadtleben/Stadtkultur: Jan Sellner (jse)

Es ist das Schlussbild, das als starker Eindruck bestehen bleibt: Zu den Klängen der israelischen Nationalhymne Hativka („Die Hoffnung“) halten die Menschen auf dem Marktplatz in der Dämmerung ihre Smartphones wie Taschenlampen in die Höhe. Kein Lichtermeer, aber immerhin ein Lichtersee; rund 500 Teilnehmer mögen es sein, die dem Aufruf der Deutsch-israelischen Gesellschaft Region Stuttgart und der israelischen Religionsgemeinschaft Württemberg am Montagabend zur Solidaritätskundgebung auf den Stuttgarter Marktplatz gefolgt sind.

 

Es sind aber auch Worte, die haften bleiben. Angefangen von den auf Hebräisch und Deutsch vorgetragenen Gebeten des Rabbiners Yehuda Pushkin und den Schilderungen Michael Kashis, Vorstandsmitglied der israelischen Religionsgemeinschaft Württemberg. Seine in Israel lebende Tochter und sein Sohn hätten nach dem Terrorangriff der palästinensischen Hamas vom Samstag viele Stunden in Angst verbracht. „Hört auf, Israel die Schuld zu geben“, sagt er eindringlich ins Mikrofon. Israel sei bereit, Kompromisse mit den Palästinensern zu schließen. „Aber nicht unter diesen Umständen“. Umstände, die nach dem, was ihm aus Israel berichtet wurde, schrecklicher nicht sein könnten.

OB Nopper: Niemand hat das Recht, Terror und Gewalt in Deutschland zu feiern!

Susanne Wetterich (Stuttgart) und Bernd Sommer (Heilbronn) von der Deutsch-israelischen Gesellschaft knüpfen daran an. Sie warnen vor einer „Relativierung des Terrors“ und vor Antisemitismus in Form von Israel-Kritik. Verwundert reagiert die Menge auf die Aussage Sommers, die Stadt Heilbronn habe es abgelehnt, die Israel-Flagge aufzuziehen. Applaus dagegen für Stuttgarts OB Frank Nopper, der darauf hinweist, dass die israelische Flagge seit Sonntag am Rathaus hänge. Er betont: „Stuttgart fühlt sich mit Israel verbunden.“ Die Stadt sei eine Pionierin der deutsch-israelischen Annäherung nach dem Zweiten Weltkrieg.

Ein kurzfristig ins Redemanuskript eingefügter Satz hallt nach: „Niemand hat das Recht, Terror und Gewalt in Deutschland zu feiern!“, sagt Nopper. Eine Reaktion auf die Szenen aus dem Berliner Bezirk Neukölln vom Samstag, wo Palästinenser nach dem Angriff der Hamas auf Israel mit Hunderten Toten Süßigkeiten verteilten. Der Satz zielt zudem in Richtung Rotebühlplatz. Dort demonstriert am Montagabend zeitgleich das Palästinakomitee gegen den „israelischen Krieg gegen die Palästinenser“. Eine kleine, laute Gruppe.

Haften bleibt auch der Auftritt von Landtagspräsidentin Muhterem Aras. Sie drückt Israel und den jüdischen Gemeinden ihre „volle Solidarität in dieser Stunde des Schmerzes“ aus und versichert: „Wir stehen fest an Israels Seite.“ Deutschland habe die Verpflichtung dazu beizutragen, das Jüdinnen und Juden sicher leben könnten. Für Aras ist es „kaum auszuhalten und abscheulich“, dass palästinensische Gruppen in Deutschland „die durch nichts zu rechtfertigenden, feigen und perfiden Bluttaten der Hamas feiern“. „Das können wir nicht dulden“, erklärt sie unter lautem Beifall und fordert das Verbot von Organisationen, die die Hamas direkt oder indirekt unterstützen. Deutlich fällt ihre Kritik an muslimischen Verbänden in Deutschland aus: „Ich habe die Stellungnahmen des Zentralrats der Muslime und des Koordinierungsrates der Muslime mehrfach gelesen. Sie sind scheinheilig und relativierend“, ruft sie. Der barbarische Terror der Hamas werde nicht eindeutig verurteilt. Aras zieht daraus den Schluss: „Die Verbände haben ihr wahres Gesicht gezeigt.“

Manuel Hagel, der CDU-Fraktionsvorsitzende im Landtag, sagt Ähnliches in anderen Worten. Das „laute Schweigen“ der Islam-Verbände in Deutschland seien „eine Schande und eine Zumutung“. Hagel will Finanzhilfen für Palästinenser stoppen und fordert plakativ: „Kein deutsches Steuergeld für Bomben auf Israel!“ Die Hamas-Angreifer seien keine „Kämpfer“, wie verschiedentlich dargestellt, sondern „Terroristen und Schlächter“. Die Solidaritätskundgebung nennt er „ein starkes Zeichen der Bürgerschaft“. Im Notizblock unterstreicht man Hagels Satz: „Antisemitismus, egal woher er kommt, hat in Baden-Württemberg keinen Platz!“

Darin herrscht Einigkeit am Mikrofon und auf dem Marktplatz. Das Publikum, darunter viele bekannte Gesichter aus der Stadtgesellschaft, versammelt sich hinter zahlreichen Israel-Fahnen. Auch ukrainische Farben und die Farben Europas sind zu sehen. Ganz am Rande: eine kleine Gruppe persischer Oppositioneller, die sich mit Israel solidarisiert und den Rendern lauscht. Zu ihnen gehört auch Claudia Rugart, die im Regierungspräsidum Stuttgart das Projekt Scora vorantreibt; es soll Schulen im Kampf gegen Antisemitismus und Rassismus stärken. Von ihr bleibt der Satz hängen: „Die Jugendbegegnung ist ein zentrales Mittel gegen Antisemitismus und Rassismus. Lassen Sie uns in diese Arbeit investieren.“

Stadtdekan Schwesig: Es gibt keine heilige Schrift, die dafür herhalten kann, was dort geschieht.

Auch die großen Kirchen zeigen auf dem Marktplatz Gesicht und Flagge. Gebhard Fürst Bischof der Diözese Rottenburg-Stuttgart, bekundet „die Solidarität der Kirche mit dem jüdischen Volk“. Eindrücklich ist, was Søren Schwesig, evangelischer Stadtdekan in Stuttgart, formuliert: „Glaube, Hoffnung, Liebe – diese Wörter entziehen sich angesichts des unfassbaren Mordens. Es bleiben nur die Namen der Toten und der Geiseln.“ Schwesig spricht von einem „Pogrom“, das Terroristen an Israelis verübt hätten. „Als Theologe sage ich: Es gibt keine heilige Schrift, die dafür herhalten kann.“ In dem Angriff auf Israel zeige sich stattdessen „die Fratze des Judenhasses“. Schwesig teilt „die existenzielle Erschütterung der Israelis“. Seine Solidarität drückt er in der Feststellung aus: „Der Schutz jüdischen Lebens ist ein unverzichtbarer Teil der freiheitlich-demokratischen Gesellschaft und das Gebot für Christen als Geschwister der Juden.“

Es folgt das starke Schlussbild mit den leuchtenden Smartphones. Aber es ist nicht der letzte Eindruck des Abends. Es sind die Worte von Susanne Wetterich, die die Teilnehmer mit dem Hinweis verabschiedet: „Am Rotebühlplatz herrscht gerade aufgeheizte Stimmung. Vermeiden Sie es, dort mit Israel-Fahnen vorbeizugehen.“ Später erklingen „Allahu Akbar“-Rufe und Rufe nach „Free Palestine“ auf der Königstraße. Wenige, aber unüberhörbar.