Nach dem Tod eines Kleinkindes in Bukarest: der schwäbische Tierschützer Matthias Schmidt spricht über die Jagd auf rumänische Straßenhunde. Er ist Vorsitzender des Vereins „Tierhilfe Hoffnung“ in Dettenhausen, der jährlich rund 2500 ehemalige Straßenhunde vermittelt.
buc
20.09.2013 - 12:10 Uhr
Dettenhausen/Bukarest – Streuner, zumeist magere Mischlinge mit scheuem Blick, gehören seit drei oder vier Hundegenerationen zu rumänischen Ortsbildern. Doch nun, nachdem in der Hauptstadt ein Kleinkind tot gebissen wurde, will die Regierung die herrenlosen Vierbeiner so schnell wie möglich ausrotten. 1800 Kilometer nordwestlich von Bukarest, in Dettenhausen, sitzt Matthias Schmidt in seinem Büro und sagt: „Die geplante Vernichtung wehrloser Kreaturen ist der blanke Wahnsinn.“ Schmidt, 29, ist Vorsitzender der „Tierhilfe Hoffnung“. Der schwäbische Verein engagiert sich seit 13 Jahren für rumänische Straßenhunde.
Herr Schmidt, nehmen wir an, Ihr vierjähriger Sohn würde von Straßenhunden zerfleischt. Wie würden Sie reagieren?
Es gibt definitiv nichts Schlimmeres, als ein Kind zu verlieren. Ich bezweifele aber, dass sich die Tragödie in Bukarest so zugetragen hat, wie es die Behörden schildern. Ich beschäftige mich seit meinem 16. Lebensjahr mit rumänischen Straßenhunden und bestreite nicht, dass es zu Beißvorfällen kommt. Aber ich halte es für ausgeschlossen, dass ein Rudel am helllichten Tag in einem Park ein friedlich spielendes Kind attackiert. Merkwürdig ist auch, dass das Parlament bereits wenige Tage später die Hinrichtung sämtlicher Straßenhunde beschließt. Für mich sieht es so aus, als habe man nach einem Vorwand für das neue Gesetz gesucht.Fstreuner
Das sind Mutmaßungen eines Tierschützers. Ich gehe davon aus, dass die offiziellen Verlautbarungen stimmen.
Selbst dann muss Ihnen als Mensch mit Herz und Verstand klar sein, dass das Abschlachten Zigtausender Tiere den Buben nicht mehr lebendig macht, sondern lediglich primitive Brutalität gegen wehrlose Kreaturen darstellt. Durch diese barbarische Aktion lenkt die Politik von ihren Versäumnissen ab.
Ich kann es verstehen, dass der Staat seine Bürger vor einer Gefahr schützen will.
In Rumänien verkünden die Politiker seit Langem, dass sie das Problem mit den Straßenhunden zivilisiert lösen wollen. Nichts dergleichen ist geschehen! Ein Skandal ist, dass in sogenannten EU-Tierheimen, die von der Europäischen Union gefördert werden, seit Jahren legal getötet werden darf. Dort werden die Hunde von Fängern abgegeben. Wenn sie innerhalb von drei Wochen niemand abholt, sollen sie laut Gesetz „fach- und sachgemäß eingeschläfert“ werden. In der Realität werden sie mit Eisenstangen erschlagen oder mit Formalinspritzen ins Herz getötet – ebenso billige wie qualvolle Hinrichtungsmethoden. Ich sage, und dafür lege ich meine Hand ins Feuer: Die rumänischen Politiker wollen die Streuner gar nicht endgültig loswerden, weil sie dann auf die EU-Gelder verzichten müssten, die in irgendwelchen dunklen Kanälen versickern.
Was leistet die „Tierhilfe Hoffnung“ ?
Wir und andere Tierschutzorganisationen führen Kastrationsprogramme durch, zu 100 Prozent finanziert von privaten Spendern aus Deutschland. Unsere Mittel sind sehr begrenzt, deshalb können wir bisher nicht flächendeckend und nachhaltig erfolgreich sein. Unser Ziel ist, dass die Tiere von alleine aussterben. Das könnte man innerhalb von 15 Jahren erreichen. Wenn das Geld, das die EU für die Tötung von Straßenhunden ausgibt, stattdessen für deren Kastration verwendet würde, wäre die Lage längst unter Kontrolle.