Eine Studie der Bertelsmann-Stiftung fordert, viele kleine Krankenhäuser zu schließen. Landessozialminister Manne Lucha sieht seinen Kurs bestätigt. Hierzulande sollen weitere Standorte wegfallen.

Stuttgart - Mehr als jedes zweite Krankenhaus in Deutschland sollte nach Ansicht von Fachleuten geschlossen werden, damit die Versorgung der Patienten verbessert werden kann. Von den derzeit knapp 1400 Krankenhäusern sollten nur deutlich weniger als 600 größere und bessere Kliniken erhalten bleiben, heißt es in einer am Montag veröffentlichten Untersuchung der Bertelsmann-Stiftung. Sie könnten dann mehr Personal und eine bessere Ausstattung erhalten.

 

„Nur Kliniken mit größeren Fachabteilungen und mehr Patienten haben genügend Erfahrung für eine sichere Behandlung“, betonen die Autoren der Studie. Viele Komplikationen und Todesfälle ließen sich durch eine Bündelung vermeiden. Kleine Kliniken verfügten häufig nicht über die nötige Ausstattung und Erfahrung, um lebensbedrohliche Notfälle wie Herzinfarkt oder Schlaganfall angemessen behandeln zu können.

Wie wichtig ist die Anfahrtszeit?

Über eine Verringerung der Zahl der Krankenhäuser wird in Deutschland seit Langem diskutiert. Bei Schließungen gibt es häufig Proteste. Denn in der Wahrnehmung vieler Patienten spielt nicht nur die Qualität der Behandlung, sondern auch die Anfahrtszeit eine wichtige Rolle.

In der Bertelsmann-Studie heißt es dagegen, die schnelle Erreichbarkeit eines kleinen Krankenhauses sei nur ein vermeintlicher Vorteil. Wenn dort kein Facharzt verfügbar sei, habe die Klinik einen gravierenden Qualitätsnachteil.

Krankenhausschließungen im Südwesten

Baden-Württembergs Sozialminister Manne Lucha (Grüne) sieht sich von der neu erschienen Studie in seiner Krankenhaus-Politik der vergangenen Jahre vollauf bestätigt. „Der atemberaubende medizinische Fortschritt, die Ambulantisierung der Medizin, die gebotene Behandlungsqualität und der Fachkräftemangel – all diese Megatrends hat sich die Politik nicht ausgedacht“, sagte Lucha. Deshalb müssten Politiker für Krankenhäuser sorgen, welche die notwendige Spezialisierung, Interdisziplinarität und ausreichend Personal abbilden können. „Das sind nun einmal vor allem größere und besonders leistungsfähige Krankenhäuser“, sagte Lucha.

Im Südwesten befindet sich die Krankenhauslandschaft dem Sozialminister zufolge schon heute dementsprechend im Umbruch. Zahlreiche kleinere Krankenhäuser sind bereits geschlossen worden, zuletzt zum Beispiel der Standort Gengenbach des Ortenau Klinikums (Landkreis Ortenau), das Vincentius-Krankenhaus (Landkreis Konstanz) sowie die Standorte Brackenheim und Möckmühl der SLK Kliniken (Landkreis Heilbronn).

Weitere Standorte sollen wegfallen

Ebenso stehen für die nächsten Jahre zahlreiche Konzentrationsvorhaben an. Das Sozialministerium listet auf: Im Landkreis Ortenau sollen vier Standorte wegfallen, im Landkreis Lörrach drei, im Landkreis Öhringen einer. Auch im Kreis Böblingen (ein Standort weniger), im Zollernalbkreis (ein Standort weniger) und im Landkreis Rastatt (ebenfalls ein Standort weniger) sind Schließungen anvisiert. In Stuttgart soll am Standort des bestehenden Robert-Bosch-Krankenhauses ein Health Campus entstehen, in den die Lungenklinik Schillerhöhe integriert werden soll.

In Baden-Württemberg gibt es rund 508 Krankenhausbetten je 100.000 Einwohner. Das ist von allen Ländern der niedrigste Wert. Der bundesweite durchschnitt liegt bei 602 Betten (beide Zahlen Stand 2017).

Die ambulante Versorgung wird wichtiger

Sozialminister Manne Lucha betonte aber, dass bei Schließungen eine engere Verzahnung zwischen ambulanter und stationärer Versorgung notwendig sei. „Dort, wo kleinere Häuser geschlossen werden, können und sollen neue ambulante medizinische Strukturen entstehen beziehungsweise ausgebaut werden“, sagte Lucha.

Nach der Veröffentlichung der Studie treten ebenso die ersten Kritiker auf den Plan. Dem katholischen Krankenhausverband zufolge geht die Studie an der Realität vorbei. Eine Konzentration auf Großkliniken würde für Patienten „längere Wege, Versorgung im Akkord und weniger menschliche Zuwendung in der Pflege“ bedeuten, schreibt der Verband.