Wie punkig sind Sie im Alltag?
Walter: Wenn Punk heißt, dass man auf der Straße sitzt und sich Geld für ein Bier zusammenschnorrt und dazu die entsprechende Musik hört, dann sind wir wahrscheinlich nicht so Punk. Aber wenn es bedeutet, dass man mit Konventionen bricht, dass man sich selbst entscheidet, wie man sein Leben lebt, sich nicht auf materielle Dinge fixiert sondern auf Werte besinnt, die mit Solidarität zu tun haben – dann ist Punk auf jeden Fall ein Teil von uns.
Sie beziehen politisch klar Stellung, zuletzt mit einem Lied gegen die AfD. Wäre Jennifer Rostock auch als unpolitische Band denkbar?
Walter: Wir haben lange Zeit gedacht, dass wir als Band nicht politisch sind – dabei waren wir es längst. Sobald man Gesellschaft als solches thematisiert, ist man ja politisch. Es muss ja gar nicht Partei-Politik sein, sondern es ist genauso auch politisch, wenn du gesellschaftskritische Texte hast.
Deckert: Das ist aber keine Sache, für die wir uns bewusst entschieden haben, sondern es hat einfach mit der Art zu tun, wie wir leben. Und die verkörpern wir in der Musik und in den Texten.
Sie kommen aus Mecklenburg-Vorpommern, wo die AfD aktuell großen Zulauf hat. Was ist das beste Mittel gegen den Rechtspopulismus?
Walter: Wenn wir eine Lösung hätten, wäre das toll. Aber das sind auch komplizierte, gesellschaftliche Entwicklungen.
Deckert: Die Band Feine Sahne Fischfilet hat in Mecklenburg-Vorpommern eine „Noch nicht komplett im Arsch“-Tour organisiert, um zu zeigen: Es gibt hier vor Ort immer noch Leute, die cool sind, die gute Sachen machen. Das ist eine wahnsinnig gute Aktion, ein inspirierendes Beispiel.
Weist: Die rechte Fraktion rottet sich ja immer schnell zusammen, das ist bei den Linken leider oft anders. Da ist der eine dem anderen nicht links genug, und so kämpft man dann doch wieder nicht für das Gleiche. Das könnte mehr zusammenwachsen. Die hohe Zahl an AfD-Wählern, das muss wieder weniger werden.
Dass Sie sich Sorgen machen, konnte man schon 2014 in dem Song „Schlag Alarm“ hören, wo es heißt: „Die Luft wird dünn, der Boden wird schon warm, Schlag Alarm!“
Walter: Das ist die Metapher von einem brennenden Haus. Natürlich fühlt man sich an die Zeit erinnert, bevor Hitler an die Macht kam. Wo man sich im Nachhinein an den Kopf fasst und fragt: Wie konnte so was in einer Demokratie überhaupt passieren? Jetzt gehen jeden Montag Leute auf die Straße, um gegen eine Religion oder gegen Ausländer zu hetzen. Die Leute lassen sich anstacheln, ihre Ängste werden instrumentalisiert – und man ist sozusagen live dabei. Am Anfang hat man noch über die AfD gelacht, aber plötzlich sind die mit 20 Prozent in irgendwelchen Landtagen drin und man denkt: Scheiße, was passiert hier gerade?!
Frau Weist, Sie singen im neuen Song „Neider machen Leute“: „Egal was man tut, irgendwer leckt immer Blut“. Wie anstrengend ist es, Jennifer Weist zu sein?
Weist: Ich persönlich finde es nicht so anstrengend. Das liegt aber auch daran, dass ich das selbst so gewählt habe. Ich wache morgens auf und bin richtig glücklich, so leben und arbeiten zu können. Es ist kein 9-to-5-Job, wir machen viele unterschiedliche Sachen, auch vieles, was über das Künstlersein hinaus geht.
Und wenn Sie auf Facebook Hass-Kommentare gegen sich lesen, ärgert Sie das nicht?
Weist: Wenn man etwas postet und danach liest, was die anderen Leute schreiben – das ist in der Tat anstrengend. Weil immer irgendjemand was zu meckern hat: Wenn du eine vegetarische Wurst postest ist die Herstellerfirma scheiße, oder jemand meckert über deine Frisur, ständig passt den Leuten irgendetwas nicht. Früher habe ich mir das alles noch sehr zu Herzen genommen, heute poste ich nur noch und lese die Kommentare nicht.