Die Corona-Pandemie bremst Versuche, junge Leute am Albplatz in Stuttgart-Degerloch mit Mobiler Jugendarbeit zu erreichen. Doch wer hält sich an dem Knotenpunkt eigentlich regelmäßig auf?

Degerloch - Herumlungernde Jugendliche, die pöbeln und die ihre Konflikte ab und zu auch mit den Fäusten austragen, verunsichern vor allem ältere Menschen. Ein Ort der diesbezüglich immer wieder ins Gerede kommt, ist der Bereich um den Albplatz in Stuttgart-Degerloch. „Ich bin mit dem Polizeirevier 4 in Möhringen, das für uns zuständig ist, in gutem Kontakt. Die Beamten fahren immer wieder Streife, sie finden aber nicht viel. Ein Brennpunkt ist der Albplatz nicht“, sagt der Degerlocher Bezirksvorsteher Marco-Oliver Luz.

 

Es sei aber eine Tatsache, dass Jugendliche zusammenstünden und es vereinzelt auch zu Eskalationen komme: „Terje Lange, der Leiter des Jugendhauses, hat aber alles im Griff“, sagt Luz. Wenn Jugendliche zusammen seien, dann komme es immer wieder zu Rangeleien. Im Jahre 2018 sei die Situation schlimmer gewesen. „Die Flüchtlingsunterkunft an der Helene-Pfleiderer-Straße war damals mit vielen Menschen auf engem Raum voll belegt. Die jungen Leute dort sind deshalb ins Freie gegangen“, sagt Marco-Oliver Luz.

Bis heute sei ein Drittel der Menschen in der Unterkunft ausgezogen, es gebe mehr Platz und mehr Intimsphäre. „Das verbessert die Situation“, sagt Luz, er betont aber auch: „Wir wollen hier aber nicht über Jugendliche reden, sondern mit ihnen, um zu einer Lösung zu kommen.“ In Degerloch gebe es weder eine Jugendprojektgruppe noch einen Jugendrat. „Wir wollen dies nach der Corona-Zeit angehen, dann will ich eine Jugendprojektgruppe aufbauen und die jungen Leute selbst hören“, sagt Luz. Mit dieser Projektgruppe könne man unter anderem eruieren, ob es sich am Albplatz um normale Rangeleien handele, oder ob es dort Handlungsbedarf gebe: „Man darf nichts beschönigen, und man muss, wenn nötig, eine sinnvolle Lösung suchen.“

Eine Jugendprojektgruppe soll Konflikte entschärfen

Auch der Jugendhausleiter Terje Lange bezeichnet den Albplatz nicht als Brennpunkt. „Zum einen gibt es dort die Befindlichkeit der Anwohner, die komplett mit einem anderen Kulturkreis konfrontiert sind, zum anderen brauchen die Flüchtlinge Zeit, bis sie integriert sind. Sie sind erst seit zwei Jahren hier“, sagt er. Letztere verließen sich erst einmal nicht auf den Staat und seine Hilfsangebote wie die Jugendarbeit. Unter den Flüchtlingen gebe es prekäre Wohnsituationen, zum Beispiel mit Eltern und fünf Kindern in zu wenigen Räumen: „Sobald die Kinder ein gewisses Alter erreicht haben, spielt sich ihr Leben draußen ab.“ Dies wiederum schüre bei den Anwohnern Ängste, weil die jungen Leute laut seien. „Die Hemmschwelle, der Jugendlichen, aggressiv zu sein, ist niedrig. Sie haben gelernt, sich so durchzusetzen. Dieses Verhalten abzutrainieren, ist schwierig, und es dauert lange“, sagt der Jugendhausleiter.

Im Vergleich zu 2017 und 2018 ist die Situation entspannter

Lange erinnert in diesem Zusammenhang an die Situation von 2017 und 2018: „Damals kamen viele Jugendliche aus anderen Stadtteilen, die sich nach ihrer Herkunft verbündet hatten und die ihre Konflikte mit Körpergewalt lösten. Ab einer bestimmten Anzahl können wir so etwas nicht mehr mit offener Jugendarbeit lösen.“ Die Jugendhaus-Mitarbeiter seien dann drauf angewiesen, die Polizei zu rufen, wenn die Situation eskaliere. „Im Jugendhaus können wir zwar mit Hausverboten sanktionieren, aber die Jugendlichen sind dann nicht weg, sondern auf der Straße“, sagt Lange. Seit zwei Jahren habe es immer wieder mal Zwischenfälle gegeben: So sei ein Rentner verprügelt worden oder es seien Handtaschen geklaut worden.

Außerdem, sagt Lange, gebe es eine weitere Gefahr: Wegen der Verführung durch schnelles Geld seien die Jugendlichen Freiwild für ortsansässige Dealer, die sie engagieren wollten. Dies, sagt Terje Lange, komme seiner Erfahrung nach vor, wenn komplette Familien aus ihren Herkunftsländern versetzt würden. „Das gab es, als viele Russlanddeutsch gekommen sind und viele Flüchtlinge aus dem Kosovo. Es hat dann rund zehn Jahre gedauert, bis sie mit viel Aufwand an Sozialarbeit integriert waren.“ Jetzt brauche man Mobile Jugendarbeit, aber die Corona-Krise erschwere alles. Im Gegensatz zu 2018 sei die Situation gegenwärtig dennoch entspannter. Außerdem seien einige junge Gewalttäter im Jugendknast: „Das hat zu Lernprozessen geführt.“