Was hat die Koalition eigentlich vor? Die Agenda für 2014 bespricht Kanzlerin Angela Merkel ab Mittwoch mit ihren Ministern in der Abgeschiedenheit der brandenburgischen Provinz.

Berlin - Was der CSU Wildbad Kreuth ist, das ist für Angela Merkel Meseberg. Es gibt da keine Alpen und wesentlich weniger Schnee als in den Bergen südlich des Tegernsees. Es gibt auch kein altes Kurbad, aber immerhin ein Schloss. Ehedem hat dort Prinz Heinrich, ein Bruder Friedrichs des Großen, logiert. Seit einigen Jahren wird das spätbarocke Palais als Gästehaus der Bundesregierung genutzt. Der Ort liegt eine Autostunde von Berlin entfernt. Merkel pflegt dorthin ihre Ministerriege einzuberufen, wenn es interner Besprechungen bedarf, welche den Zeitplan der wöchentlichen Kabinettssitzungen sprengen würden. Das war schon vor vier Jahren so, als sich die damalige schwarz-gelbe Wunschkoalition binnen weniger Wochen beinahe zerlegt hatte.

 

Heute beginnt in Meseberg wieder eine Kabinettsklausur. Der Anlass ist weniger dramatisch. Seit das neue Regierungsbündnis sich kurz vor Weihnachten formiert hat, gab es aber durchaus Misstöne und unterschiedliche Interpretationen des Koalitionsvertrags, die einer Verständigung bedürfen. Offiziell hat Regierungssprecher Steffen Seibert den Zweck des Treffen so umschrieben: „Die Klausur dient dazu, dass die Mitglieder der Bundesregierung jeder für sich und in seinem Ressort über die Planungen für dieses Jahr 2014 sprechen.“ Jeder Minister werde darlegen, was ihm in den kommenden Monaten besonders wichtig erscheine. Damit, so Merkels Sprecher, sei „die Zeit sicherlich schon ganz gut ausgefüllt“.

Gabriels Leerstellen bei der Reform der Energiewende

Eine ganze Reihe von Ministern haben gar nicht erst abgewartet, bis die Kanzlerin ihnen an der Tafel im Schloss das Wort erteilt, sondern vorab schon verkündet, was sie für besonders dringlich erachten. Dazu zählt auch Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD), im Kabinett zuständig für Wirtschaft und Energie. Sein vorrangiges Projekt ist die Optimierung der Energiewende. Im Fokus steht dabei das Interesse, die inflationäre Entwicklung der Strompreise zu dämpfen. Eckpunkte sind inzwischen bekannt. Gabriels Konzept weist aber noch viele Leerstellen auf. Zudem ist offenkundig, dass er auf massive Widerstände in den Ländern stößt, auch bei Parteifreunden. Eine der Fragen, die der neue Superminister noch nicht beantwortet hat, ist die nach den Strompreisrabatten für diverse Industriebranchen und andere Konsumenten. Die EU-Kommission geißelt diese Preisvorteile als Wettbewerbsverzerrung. Darüber wird im Kabinett noch zu sprechen sein – ein wichtiges Thema für Meseberg.

Einen weiteren Tagesordnungspunkt für die Klausur hat Sozialministerin Andrea Nahles (SPD) benannt: die im Koalitionsvertrag aufgelisteten Rentenpläne. Es geht dabei um Verbesserungen bei der Mütterrente, ein Anliegen der Union, sowie um die Möglichkeit, nach 45 Beitragsjahren schon mit 63 ohne Abschläge in Rente gehen zu können. Dafür hatte sich die SPD im Wahlkampf verkämpft. Nahles’ Finanzierungskonzept greift weit in die Zukunft aus und vertagt wichtige Folgemaßnahmen, etwa ein Anheben des Rentenbeitragssatzes oder verstärkte Zuschüsse an die Rentenkasse aus Steuermitteln, auf die Zeit nach der nächsten Wahl. Das ist in den Reihen der Union umstritten.

Wie flächendeckend wird der Mindestlohn?

Konfliktpotenzial birgt ein weiteres Vorhaben, für das die SPD-Ministerin verantwortlich ist: der flächendeckende gesetzliche Mindestlohn. Aus der CDU und der CSU gibt es das Bestreben, dessen allumfassender Gültigkeit Grenzen zu setzen. Auch Vizekanzler Gabriel hatte schon signalisiert, dass er sich einzelne Ausnahmen vorstellen könne. Dagegen gibt es freilich Widerstand unter seinen Genossen. Von Nahles war zu hören, dass sie den Mindestlohn bis zum Sommer realisieren will.

Ein anderes Streitthema haben die zuständigen Minister rechtzeitig vor der Klausur entschärft: die Vorratsdatenspeicherung. Im Koalitionsvertrag hatten Union und SPD verabredet, die entsprechende EU-Richtlinie umgehend in deutsches Recht zu übersetzen. Das hatte die liberale Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger vier Jahre lang verhindert, ungeachtet angedrohter Sanktionen. Kaum war der Koalitionsvertrag besiegelt, fiel dem neuen Justizminister Heiko Maas (SPD) ein, dass die EU-Richtlinie zur Datenspeicherung demnächst vom Europäischen Gerichtshof kassiert werden könnte. Er plädierte deshalb dafür, das Verfahren erst einmal abzuwarten. In der Union witterten viele hinter dieser Ankündigung eine Fortsetzung der alten Hinhaltetaktik. Maas und sein CDU-Kollege, Innenminister Thomas de Maizière, haben sich inzwischen aber darauf verständigt, in dem von der SPD favorisierten Sinne zu verfahren.

Der Gesprächsstoff dürfte Merkels Ministerrunde also nicht ausgehen. Das Kabinett wird im Meseberger Schlösschen auch übernachten. Die Ergebnisse ihres Palavers werden die Kanzlerin und ihr Vizekanzler am Donnerstag vorstellen.