Der NDR reanimiert wieder einmal den Quizklassiker "Dalli Dalli" – mit Kai Pflaume. Die Zukunft im Fernsehen gehört den Allzweckmoderatoren.

Stuttgart - Dalli Dalli. Es sind nur zwei Worte, doch sie wecken die Erinnerung an ein schon vergilbtes Kapitel der Fernsehgeschichte. Man denkt an Hänschen Rosenthal und daran, wie er vor Begeisterung jedesmal in die Luft sprang, wenn einen Kandidaten der Geistesblitz erfasst hatte - und demnächst vielleicht auch an Kai Pflaume.

 

Kai Pflaume, das ist Dr. Love, der Mann, der achtzehn Jahre lang für Sat.1 gebrochene Herzen so gewissenhaft geflickt hatte, dass man ihn sich kaum noch ohne sein Tränensofa vorstellen kann. Dieser Mann hat ins Erste "rübergemacht". Schon im Juli soll er für den NDR "Dalli Dalli" reanimieren. Schnell, Dr. Love, Skalpell!

Es ist keine leichte Aufgabe, die er sich da vorgenommen hat. Kai Pflaume ist nicht Hans Rosenthal. Hohe Sprünge sind nicht seine Sache. Der Mann liebt das diskrete Understatement. Warum sollte ausgerechnet ihm das Kunststück gelingen, einen Toten zum Leben zu erwecken? Es ist eine Frage, die nicht halb so brisant wäre, wenn der Wechsel des Sat-1-Mannes ein Einzelfall wäre. Ist er aber nicht. Moderatoren-Monopoly hat sich zur beliebten Trendsportart im öffentlich-rechtlichen Fernsehen entwickelt: Rücke vor bis auf Los und schnapp den privaten Sendern ihre bekanntesten Gesichter weg. Den Jauch. Den Raab. Den Lanz. Den Opdenhövel. Oder eben den Pflaume.

Warum ausgerechnet Pflaume?

Die Umsiedler werden dort eingesetzt, wo gerade ein personelles Loch gestopft werden muss - notfalls ohne Rücksicht auf ihre Kernkompetenz. Siehe Kai Pflaume. Einst handelte er mit Wertpapieren. Dann castete ihn die ARD auf der Straße für die schon legendäre Kuppelshow "Herzblatt" - als Kandidaten. Pflaume aber wechselte die Seite. Als Moderator der Sat-1-Show "Nur die Liebe zählt" verkaufte er fortan zarte Gefühle.

Doch weil das Geschäft nach achtzehn Jahren nur noch schleppend lief, macht er jetzt in der ARD den Quizonkel. Anfang 2011 hat er, ohne dass es jemandem aufgefallen wäre, Jörg Pilawa im Ersten als Moderator einer Rateshow ("Starquiz") abgelöst. Einer wie Pflaume, haben sie sich beim NDR wohl gedacht, kommt nicht nur bei älteren Semestern, sondern auch bei der umworbenen Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen an. Er könnte ihnen alles verkaufen, wenn es sein muss, sogar dicke Milch. Er mag nicht halb so begeisterungsfähig wie Hans Rosenthal sein, aber er gilt als harter Arbeiter und als Mann mit Feingefühl. Geben wir ihm also zwei weitere Raterunden: "Klein gegen Groß" und "Familienbande".

Dalli Dalli soll er auch stemmen. Die Rechte an dem Klassiker lagen beim NDR schon lange in der Schublade. Der Sender hatte sie dem ZDF und der Familie des verstorbenen Quizmasters Hans Rosenthal abgekauft. Einer musste es machen. Aber warum ausgerechnet Pflaume? Es ist noch gar nicht so lange her, da war der Moderator eine Marke. Im Fernseh-Paläozän stand Peter Frankenfeld für großkarierten Humor, Hans-Joachim Kulenkampff für die hohe Kunst der Plauderei und - etwas später - Thomas Gottschalk für den Mut zur Blamage. Doch dieser Typus gilt als Auslaufmodell. Das duale Fernsehsystem hat den Prototyp des stufenlos verstellbaren Moderators hervorgebracht, der notfalls selber in den Ring steigt, um gegen seine Kandidaten anzutreten. Siehe Stefan Raab.

Die Macht der großen Geste

Dieser Prototyp hat sich auf den Spielwiesen des Privatfernsehens ausgetobt. Das gibt ihm ein sichereres Dasein als den Kollegen, die in den dritten Programmen der ARD versauern, weil es die Landesrundfunkanstalten versäumen, den eigenen Nachwuchs zu fördern. Er versteht sich eher als Dienstleister denn als Entertainer. Er ist gut organisiert und im besten Fall sogar sein eigener Produzent. Seine pragmatische Einstellung zu seinem Job wurzelt in der Erkenntnis, dass sich die Haltbarkeit von Fernsehformaten der von Milchprodukten angenähert hat. Die neue Moderatoren-Generation muss sich dementsprechend breit positionieren, sagt Bernhard Fischer-Appelt, der Inhaber einer der größten deutschen PR-Agenturen.

Als Prototyp nennt er Günther Jauch. Der sei bekannt dafür, dass er aus jedem Kandidaten eine Geschichte herauskitzeln könne. Eine Fähigkeit, von der er bisher in jedem Job profitiert habe, egal, ob er "Stern TV" oder "Wer wird Millionär" moderiert habe. Der Trend weg vom Show-Dino, hin zum Allrounder habe also auch Vorteile, meint Fischer-Appelt. Die Moderatoren bekämen die Chance, sich weiterzuentwickeln, und das in der Regel eher im privaten Fernsehen als in der ARD oder beim ZDF. Als einzige Ausnahme fällt dem PR-Berater die Tagesschausprecherin Judith Rakers ein. Ihr Auftritt als Co-Moderatorin des Eurovision Song Contest in Düsseldorf hat ihn restlos begeistert.

Er findet, die sonst so kühle Blonde aus dem hohen Norden habe sich als ebenso witzige wie schlagfertige Moderatorin für höhere Weihen empfohlen. Die Veranstaltung sei eine gelungene Imagekampagne für Deutschland gewesen. Er verstehe nicht, warum das öffentlich-rechtliche Fernsehen die Macht der großen Geste nicht viel häufiger in seinen Unterhaltungsshows nutze.

 "Es kann nicht jeder alles moderieren"

Mit dieser Meinung steht Fischer-Appelt nicht allein. Die Nachricht, dass ausgerechnet der NDR den Showklassiker "Dalli Dalli" mit Kai Pflaume reanimieren will, ist in der Branche entsprechend belustigt aufgenommen worden. "Hat der NDR so wenig eigene Ideen, dass er das Konzept vom ZDF kaufen musste?", fragt sich etwa Wolfgang Penk. Er gilt als Experte für die Frage: Welcher Moderator passt zu welchem Format? Schließlich hat er in den Achtzigern als damaliger ZDF-Unterhaltungschef nicht nur die Ablösung von Frank Elstner bei "Wetten, dass ...?" durch Thomas Gottschalk über die Bühne gebracht. Als Produzent hat er in den neunziger Jahren auch die Klassiker "Dalli Dalli" und "Einer wird gewinnen" (EWG) neu aufgelegt - mit unterschiedlichen Ergebnissen.

Eine abgespeckte Variante von "Dalli Dalli" mit dem damals noch unbekannten Moderator Andreas Türck lief auf dem täglichen 14-Uhr-Sendeplatz zunächst so erfolgreich, dass sie auf den späten Nachmittag verschoben wurde - wo sie dann scheiterte. EWG wurde nach nur drei Folgen wieder eingestellt. Jörg Kachelmann als Moderator sei wohl nicht der richtige Mann gewesen, glaubt Penk heute. Eine hundertminütige Show zu moderieren habe den lustigen Wetterfrosch überfordert.

"Es kann nicht jeder alles moderieren", folgert Penk. Ob eine Show funktioniere, hänge zu siebzig Prozent vom Moderator ab. Und da gelte die Regel: je populärer ein Format, desto riskanter die Moderation durch einen schon bekannten Kollegen. Für den Coup mit Thomas Gottschalk, erinnert sich der 72-Jährige, sei er von den Zuschauern anfangs regelrecht verprügelt worden. Künftig habe "Wetten, dass ..." darum nur mit einem originellen Nobody mit Ecken und Kanten als Nachfolger eine Chance.

Dagegen werde sich der Einstieg von Kai Pflaume bei der auferstandenen "Dalli-Dalli"-Sendung reibungslos gestalten, prophezeit er. Schließlich sei das Original ja schon so alt, dass sich die Zielgruppe gar nicht mehr daran erinnern könne, wie es früher einmal war.

Gut für alles

Karriere: Seine Fernsehlaufbahn begann Kai Pflaume 1993 als Moderator der Kuppelshow „Nur die Liebe zählt“, damals noch bei RTL. Von 1995 an präsentierte er auf Sat.1 zahlreiche Sendungen, unter anderem „Die Comedy-Falle“. Anfang 2011 wechselte der in Halle an der Saale geborene Pflaume zur ARD.

Sendungen: Im Ersten wird der 44-Jährige in der Neuauflage von „Dalli Dalli“ zu sehen sein; bereits jetzt moderiert er das „Star Quiz“. Am 11. Juni (20.15 Uhr) präsentiert Pflaume mit „Klein gegen Groß – Das unglaubliche Duell“ erstmals eine große Samstagabendshow. Im Herbst soll außerdem die Reihe „Der klügste Deutsche 2011“ ausgestrahlt werden. Zudem ist eine wöchentliche Vorabend-Raterunde (Arbeitstitel „Familienbande“) mit ihm geplant.