Die beiden großen Kirchen wehren sich gegen einen Bedeutungsverlust der Karwoche. Das haben Veranstalter in Stuttgart zu spüren bekommen.

Stuttgart - Der Karfreitag ist einer der christlichen Feiertage im Jahr, die einen besonderen gesetzlichen Schutz genießen. Das haben in diesem Jahr die Verantwortlichen des Porsche-Tennis-Grand-Prix in Stuttgart zu spüren bekommen. Nicht nur öffentliche Sportwettbewerbe sind an diesem Tag verboten, sondern beispielsweise auch Shoppingevents und Tanzveranstaltungen. Vielen Stuttgarter Gastronomen ist der besondere Feiertagsschutz schon seit Jahren ein Dorn im Auge, die Kirchen aber wehren sich vehement gegen eine Aufweichung des Feiertages. "Karfreitag und Ostern sind die zentralen Ereignisse im christlichen Glauben. Der Kreuzestod und die Auferstehung dürfen nicht in der öffentlichen Gleichgültigkeit untergehen", sagt Thomas Broch, der Sprecher der Diözese Rottenburg-Stuttgart.

 

Bei den Porsche-Verantwortlichen haben die Kirchen Gehör gefunden. Eigentlich sollten die Tennisdamen am Karfreitag das Viertelfinale austragen, jetzt aber wird mitten im Wettbewerb Ruhetag sein - zum ersten Mal in der Geschichte der Women's Tennis Association (WTA), wie Claus-Peter Andorka, der Sprecher des Tennis-Grand-Prix, bemerkt. "Porsche hat gesagt, wir respektieren die religiösen Gefühle der Menschen." Auch der Weltverband WTA, der die Termine vorgibt, habe sofort eingelenkt. Jetzt müssen die Spielerinnen die Hauptrunde in sechs statt sieben Tagen absolvieren, dafür dürfen sie am Freitag ruhen. Was trotzdem nicht ausbleibt, sind die verwunderten Nachfragen aus dem Ausland: "Ein italienischer Fernsehkommentator hat sich mehrfach gemeldet, weil er es nicht glauben konnte, dass wegen eines christlichen Feiertages nicht gespielt wird", erzählt Andorka.

"An Ostern haben die Menschen Zeit, sich mit Büchern zu beschäftigen."

Von ihrem Vorhaben abrücken mussten auch die Organisatoren einer türkischen Buchmesse in Feuerbach, die über die Ostertage gehen sollte. Die Bochumer Astec GmbH wollte die Ablehnung durch das Stuttgarter Ordnungsamt nicht akzeptieren und zog vor das Verwaltungsgericht, allerdings ohne Erfolg. "Es handelt sich um eine typisch werktägliche Veranstaltung. Die Schutzwürdigkeit des Karfreitags ist eindeutig höher zu beurteilen als das kommerzielle Interesse des Veranstalters", begründet Benno Bartosch vom Ordnungsamt die Entscheidung. Für den Messechef Ahmet Turunc ist die Haltung der Stuttgarter Behörde nicht nachvollziehbar: "Wir haben im vergangenen Jahr in München über die Ostertage die gleiche Messe veranstaltet und es war überhaupt kein Problem, weil sie als Beitrag zur Integration gewertet wurde. An Ostern haben die Menschen Zeit, sich mit Büchern zu beschäftigen."

Sportturniere, Buchmessen, Osterpartys - der evangelische Stadtdekan Hans-Peter Ehrlich beobachtet seit Jahren, dass das Verständnis für den besonderen Schutz des Karfreitags abnimmt. "Dabei ist es für die Menschen wichtig, dass es Unterbrechungen vom Alltag gibt." Christian Hermes, der kommissarische Stadtdekan der katholischen Kirche in Stuttgart, weist auf sozialpolitische und gesellschaftliche Folgen hin: "Wir Kirchen schauen auch auf die Menschen, die arbeiten müssen, damit andere Party machen können." Eine weitere Aufweichung des Feiertagsschutzes befördere nur die weitere "Atomisierung der sozialen Beziehungen". "Dann hat Mama am Donnerstag frei, Papa am Freitag und die Kinder am Wochenende."

Perkins-Park-Mitbegründer hält Tanzverbot  für grundgesetzwidrig

Den Stuttgarter Partymachern dagegen fällt es schwer, in einer zusehends säkularisierten Welt das Tanzverbot von Gründonnerstag bis Karsamstag noch zu verstehen. Michael Presinger, Mitbegründer der Discothek Perkins Park, hält das Tanzverbot sogar für grundgesetzwidrig. "Wir haben in Deutschland keine Staatskirche, aber trotzdem geben die Kirchen die Regeln vor." Aus seiner Sicht dient auch das nächtliche Tanzen der seelischen Erbauung. Auch Laura Halding-Hoppenheit, die Betreiberin des Kings Club, wünscht sich eine Lockerung: "Die Leute kriegen doch gar nicht mehr mit, dass Karwoche ist." Die Gastronomin erinnert sich noch gut an die Zeiten, als auch der Buß- und Bettag zu den arbeitsfreien Feiertagen zählte: "Wir haben Tische auf die Tanzfläche gestellt, damit die Leute nicht tanzen. Das hat nichts geholfen. Am Ende habe ich dann halt ein Bußgeld bezahlt." Das kann bis zu 1500 Euro betragen. Allerdings räumt Benno Bartosch vom Ordnungsamt ein, dass die Polizei den Feiertagsschutz nur in begrenztem Umfang kontrollieren könne.

Der Hotel- und Gaststättenverband Dehoga schlägt moderate Töne an: An dem Schutz des Karfreitags wolle man nicht rühren, was man aber wünsche, sei eine Liberalisierung des Tanzverbotes an gewöhnlichen Sonntagen. An denen muss um 3 Uhr nachts mit dem Tanzen aufgehört werden, obwohl seit Januar 2010 die Sperrzeit auf fünf Uhr verkürzt wurde. "Das passt nicht zusammen. Vor allem haben Discogäste kein Verständnis, wenn ab drei Uhr die Musik leise gemacht wird. Sie gehen dann in den Club, in dem bis fünf weitergefeiert wird", sagt Dehoga-Sprecher Daniel Ohl.

Kirchliche und gesetzliche Feiertage

Rechtslage

Das Feiertagsgesetz des Landes sieht 14 gesetzliche und kirchliche Feiertage vor, zu denen auch Gründonnerstag, Karfreitag und Ostermontag zählen. An Sonntagen und den gesetzlichen Feiertagen sind öffentlich bemerkbare Arbeiten, die die Ruhe des Tages beeinträchtigen, verboten. Außerdem sind Handlungen zu vermeiden, die geeignet sind, Gottesdienste zu stören. Das Tanzen ist an Sonntagen von 3 bis 11Uhr untersagt.

Stille Feiertage

Einen besonderen Schutz genießen der Karfreitag und der Totengedenktag, an denen alle öffentlichen Veranstaltungen verboten sind, die über den Schank- und Speisebetrieb hinausgehen. Erlaubt sind dagegen Veranstaltungen, die der Würdigung des Feiertages oder einem höheren Interesse der Kunst dienen. Am Karfreitag sind zudem ganztägig öffentliche Sportveranstaltungen verboten, am Totengedenktag bis 13 Uhr. Das Tanzverbot gilt von Gründonnerstag bis Karsamstag.