Karfreitag in Leonberg 45-Jähriger trägt ein schweres Holzkreuz, wie einst Jesus

Giovanni Ferrante ist aus einem großen Haus in einfaches Appartement gezogen. Am Karfreitag trägt er in Leonberg als Jesus ein schweres Holzkreuz. Foto: /Simon Granville

Nach einem Schicksalsschlag fühlt sich der Hauptdarsteller des Lebendigen Kreuzwegs in Leonberg nun Gott ganz nahe.

Für Giovanni Ferrante ist es alles andere als Theater: „Diese Rolle spiele ich als Dank für alles, was Gott für mich in schwerer Zeit getan hat.“ Der 45-Jährige stellt an Karfreitag, wenn die Italienische katholische Gemeinschaft Heilige Herzen Jesu und Mariens in Leonberg rund um die St. Johannes-Kirche einen lebendigen Kreuzweg inszeniert, Jesus Christus dar.

 

Seit Jahren pflegt die muttersprachliche italienische Gemeinde die Tradition eines lebendigen Kreuzweges. Die Gemeinde umfasst das Stadtgebiet Leonberg. Ihr seelsorgerisch zugeordnet sind außerdem Ditzingen, Renningen, Rutesheim, Weil der Stadt und Weissach. Begleitet wird die italienische Gemeinde von ihrem Pfarrer Don Jean Bonane Bakindika.

Bisher ist der Kreuzweg immer rund um das Edith-Stein-Haus im Ramtel aufgebaut gewesen. Doch nachdem dieses geschlossen wurde, weil es sich in einem so schlechten baulichen Zustand befindet, findet der Kreuzweg nun an der St. Johannes-Kirche im Zentrum statt.

„Ich hoffe, dass ich das Leiden und Sterben Jesu Christi gut rüberbringe und die Menschen inspiriere“, sagt Giovanni Ferrante. Der Kreuzweg beginnt auf dem Kirchenvorplatz – Jesus wird verhaftet, beschuldigt, verurteilt, verspottet. An drei Stationen in den Straßen rund um St. Johannes wird dargestellt, wie Jesus drei Mal unter der Last seines Kreuzes zusammenbricht. Doch er erhebt sich immer wieder und setzt den Weg nach Golgota fort.

Wie Jesus auch, wird Ferrante ein großes, schweres Holzkreuz auf der Schulter tragen. Die Kreuzigungsszene findet vor dem Eingang der Kirche statt. Die Dialoge zwischen den Darstellern werden in italienischer Sprache gehalten. Moderiert wird die Darstellung für die Zuschauer in Deutsch und Italienisch.

Mit sizilianischen Wurzeln in Leonberg geboren

„Viele Menschen werden im Leben überheblich, ich gehörte auch zu ihnen“, blickt Giovanni Ferrante auf sein früheres Leben zurück. „Arbeit, Familie, Geld und vieles andere stehen im Vordergrund. Und, wenn es gut geht, Gott vielleicht an sechster oder siebenter Stelle. Ich habe ihn auch viel zu lange weit hinten rangieren lassen.“

Mit Wurzeln in Sizilien ist Ferrante in Leonberg geboren und, katholisch erzogen, in Weil der Stadt aufgewachsen. Nach der Lehre hat er als Kfz-Mechatronik-Meister beim Bosch-Service im Gewerbegebiet Hertich gearbeitet. Beruflich läuft es gut. Mittlerweile hat ihn Firmeninhaber Hans Glemser zum Geschäftsführer gemacht.

Er hat die Prioritäten neu gesetzt

„Doch ein Schicksalsschlag hat mich ganz unten ankommen lassen“, erzählt Ferrante. Nach 19 Jahren Ehe hat ihn seine Frau mit drei Kindern verlassen. „Ich habe sehr gelitten, mich zurückgezogen, an meinem Glauben gezweifelt, mit Gott und der Welt gehadert und mir in meiner Sturheit von niemandem helfen lassen“, schildert der 45-Jährige. Aus dem Haus, das er selbst gebaut hat, ist er in eine kleine, spartanisch eingerichtete Wohnung in Gebersheim umgezogen, weg von allem, weg vom Luxus.

„Ich haben mich gefragt, wofür lebe ich, wofür habe ich das alles gemacht“, gibt Giovanni Ferrante einen Einblick in sein Seelenleben. In dieser Zeit hat er viel gebetet. Gott, so sagt er, hat ihn aus diesem Tief herausgeholt: „Ich habe verstanden, dass ich Gott viel zu weit hinten habe rangieren lassen.“

Heute steht für Giovanni Ferrante Gott an erster Stelle, dann kommen die Kinder Desiree (17), Gabriel (15) und Giosue (10). Die beiden älteren bereiten sich gerade auf die Firmung und der jüngste auf die Erstkommunion vor „Und dann komme irgendwann auch ich“, hat er die Prioritäten im Leben neu gesetzt. „Ich weiß jetzt wer ich bin.“

Ein Zeichen Gottes

Seine Berufung in die Rolle des Jesus beim lebendigen Kreuzweg, sieht Giovanni Ferrante als ein Zeichen Gottes. „Pietro, der die Rolle seit vielen Jahren spielt und sie 2023 abgegeben hatte, hat mich angerufen“, erzählt Ferrante. „Der, der den Jesus spielen sollte, hatte sich am Bein verletzt und konnte das schwere Kreuz nicht tragen.“

Den Wunsch, die Rolle zu gestalten, hatte er schon länger – aber nie etwas gesagt. „Wenn Gott es will, dann werden sie zu mir kommen. Und dann kam der Anruf.“ Mit Theater hat das für ihn nichts zu tun: „In dieser Rolle fühle ich mich Gott näher.“

Die Regie und die Organisation des lebendigen Kreuzweges hat seit elf Jahren Mariana Rosson inne. Sie hat selbst 15 Jahre lang in Stuttgart Theater gespielt. „Auf einer Jubiläumsfeier meiner Eltern hat mich Seelsorger Don Jean Bonane Bakindika angesprochen, ob ich mir vorstellen könne, die Gestaltung des lebendigen Kreuzweges zu übernehmen. Ich habe spontan zugesagt,“ sagt die 61-Jährige. Als Mitarbeiterin des italienischen Konsulats unterstützt und begleitet sie in Leonberg und Umgebung italienische Kinder beim Erlernen der deutschen Sprache und der Integration. Zudem ist sie in Gerlingen in der Kinderbetreuung tätig.

Mehr als 40 Erwachsene im Alter zwischen 30 und 70 Jahren unterschiedlichster Berufe sowie Schulkinder habe Rollen in der Darstellung des Kreuzweges. „Über die Kirche, wo wir auch Zettel auslegen, wenn es neue Darsteller braucht, treffen wir uns zu den Proben im Johanneshaus in der Bahnhofstraße“, sagt Mariana Rosson. Lebendige Kreuzwege seien in Italien tief in den Traditionen verankert und das wolle man auch hierzulande leben. „Wer dabei sein will, kommt einfach vorbei. Dann spürt man gleich, in welche Rolle er oder sie passt“, sagt Mariana Rosson. „Wer da mitmacht, muss Gefühle mitbringen und sie auch so an andere herantragen, damit sie überspringen.“

Nach der Liturgie am Freitag, 29 März, um 15 Uhr startet die Passion Christi um 16.30 Uhr auf dem Vorplatz der Johannes-Kirche.

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