Justizminister Marco Buschmann hat das geplante Selbstbestimmungsgesetz gegen Kritik verteidigt. Vor einer übereilten Entscheidung bei Jugendlichen schütze die „starke Stellung“ der Eltern. Auch Räume für Frauen blieben weiterhin geschützt.

Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) hat das geplante Selbstbestimmungsgesetz verteidigt, das am Mittwoch im Bundeskabinett verabschiedet werden soll.

 

Der FDP-Politiker sagte am Mittwoch im Deutschlandfunk, es solle einer kleinen Gruppe von Menschen das Leben leichter machen. Trans- und intergeschlechtliche sowie nicht-binäre Menschen müssten schwierige innere Kämpfe aushalten und seien vom Staat bisher wie Kranke behandelt worden. Es sei ein Gesetz „ganz im Geist“ der Verfassung.

„Wir haben jetzt einen Gesetzentwurf, hinter dem die gesamte Bundesregierung steht und der allen Bedenken – und seien sie noch so fernliegend - Rechnung trägt. Das ist ein großer Erfolg“, sagte Buschmann dem „Tagesspiegel“ (Mittwoch).

Eltern sollen Kinder vor übereilten Entscheidungen schützen

Bedenken wegen eines möglichen Missbrauchs weist Buschmann zurück. Angesichts der Kritik an der geplanten Regelung, dass auch Jugendliche unter 18 Jahren das Geschlecht ohne verpflichtende Beratung ändern lassen dürfen, verwies Buschmann am Mittwoch im ZDF-“Morgenmagazin“ auf die „starke Stellung“ der Eltern.

„Vor einer unreifen, übereilten Entscheidung schützen erstmal die Eltern“, sagte Buschmann. Eltern würden sich informieren und damit auseinandersetzen. „Ich bin der festen Überzeugung, dass der übergroße Teil der Eltern sehr seriös und sorgfältig sich die Frage stellt: ‚Was ist das beste für mein Kind’.“ Zudem könne gegen den Willen der Eltern grundsätzlich keine Änderung des Geschlechtseintrags vorgenommen werden, es sei denn, dies stehe dem Kindeswohl entgegen, betonte Buschmann.

Buschmann: Schutzräume für Frauen bleiben gewahrt

Auch Kritik, dass Männer künftig in Frauenhäuser oder Frauensaunen eindringen könnten und Frauen dort dann nicht mehr sicher seien, wies der Minister zurück. Über den Zugang dort könnten die Betreiber auch weiterhin selbst entscheiden. Den Betreibern solcher Einrichtungen werde es also möglich sein, Transpersonen den Zutritt zu verweigern. Es sei wichtig, dass solch ein Fall geregelt werde, „er taucht in der Praxis aber ganz selten auf“.

Heftige Kritik am Gesetzentwurf war etwa von Seiten der AfD und der Union gekommen. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt warf der Bundesregierung vor, Warnungen vor Missbrauch zu ignorieren. „Die Idee, sein Geschlecht jedes Jahr neu selbst bestimmen zu können, kann man nur als eine Geschichte aus dem Tollhaus bezeichnen“, sagte er der „Augsburger Allgemeinen“.

Buschmann will seriöse Debatte

Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) mahnt indes in der öffentlichen Debatte über das Selbstbestimmungsgesetz zu Besonnenheit. „Ich kann allen seriösen Beteiligten nur raten, ein bisschen die Betriebstemperatur runterzufahren“, sagte Buschmann am Mittwoch im Deutschlandfunk. Einige wollten auch parteipolitisch von der Auseinandersetzung über das Gesetz profitieren, das schade einer seriösen Debatte.

Das Selbstbestimmungsgesetz soll das bisher geltende Transsexuellengesetz ersetzen. Der Gesetzentwurf soll an diesem Mittwoch vom Bundeskabinett verabschiedet werden. Künftig soll jeder Mensch in Deutschland sein Geschlecht und seinen Vornamen selbst festlegen und in einem einfacheren Verfahren beim Standesamt ändern können. Bei Minderjährigen bis 14 Jahren entscheiden die Sorgeberechtigten. Ab 14 Jahren können die Minderjährigen die Erklärung selbst abgeben, sofern die Zustimmung der Sorgeberechtigten vorliegt. In Streitfällen muss ein Familiengericht entscheiden.

Paus: „Großer Moment“ für trans- und intergeschlechtliche Menschen

Bundesfamilienministerin Lisa Paus bezeichnete die geplante Verabschiedung des Entwurfs durch das Bundeskabinett als „großen Moment“ für trans- und intergeschlechtliche Menschen in Deutschland. „Das Selbstbestimmungsgesetz dient dem Schutz lang diskriminierter Minderheiten und ist ein gesellschaftspolitischer Fortschritt“, sagte die Grünen-Politikerin. „Mit dem Selbstbestimmungsgesetz verwirklichen wir das Recht jedes Menschen, in seiner Geschlechtsidentität geachtet und respektvoll behandelt zu werden.“

Auch sie sieht Bedenken gegen das Gesetz vollständig ausgeräumt. „Das Bundesinnenministerium hatte noch Konkretisierungsbedarf bei der Nachverfolgbarkeit der Identität für die Sicherheitsbehörden, die berücksichtigt wurden“, sagte Paus dem Nachrichtenportal „The Pioneer“ (Mittwoch). Das Innenministerium hatte befürchtet, dass Kriminelle sich durch einen Wechsel von amtlichem Geschlechtseintrag und Vornamen der Strafverfolgung entziehen könnten. Nun soll gewährleistet werden, dass Bundeskriminalamt, die Bundespolizei, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sowie das Bundesamt für Verfassungsschutz über Änderungen informiert werden.

Beauftragte für Antidiskriminierung sieht auch Verschlechterungen

Die Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung, Ferda Ataman, hält den Gesetzentwurf dagegen in Teilen für ungenügend. Es gebe sogar „Verschlechterungen gegenüber dem Transsexuellengesetz und dem Personenstandsgesetz“, kritisiert Ataman in einer Stellungnahme, die „Zeit online“ vorliegt. Dies gelte etwa für die Anmeldefrist oder Datenübermittlungspflichten an eine Vielzahl von Sicherheitsbehörden.

Die Änderung des Geschlechtseintrags wird nach dem Gesetzentwurf erst drei Monate nach Abgabe eines entsprechenden Antrags wirksam. Ataman fordert die Streichung dieser Regelung. Sie kritisierte außerdem die auf Drängen des Innenministeriums neu hinzugekommene Regelung, dass Ausländer nur dann eine Änderung des Geschlechtseintrag beantragen können, wenn ihr Aufenthaltsstatus nicht innerhalb der darauffolgenden zwei Monate abläuft. „Das grundrechtlich geschützte Recht auf selbstbestimmte Änderung des Vornamens und des Geschlechtseintrags kann nicht vom Aufenthaltsstatus einer Person abhängig gemacht werden“, heißt es.