Kinder mit Migrationshintergrund Bildungschancen hängen stark von der sozialen Herkunft ab

Dieselbe Klasse, unterschiedliche Chancen Foto: imago images/Panthermedia/WavebreakmediaMicro

Die Chancen auf eine gute Bildung sind in Deutschland ungleich verteilt. Seit Jahren belegen Studien und wissenschaftliche Arbeiten: Vor allem Kinder mit Migrationshintergrund haben es schwer. Die Gründe dafür sind vielfältig.

Esslingen: Sebastian Xanke (xan)

Stuttgart - Max und Murat sitzen in derselben Grundschulklasse. Die gleichen Chancen auf eine gute Bildung haben sie wahrscheinlich nicht. Zwar sind beide Jungen Deutsche, Murat hat allerdings einen Migrationshintergrund. Das bedeutet laut offizieller Definition, dass Murat selbst oder mindestens ein Elternteil von ihm die deutsche Staatsangehörigkeit nicht durch Geburt besitzt. In Deutschland hat jeder Vierte einen Migrationshintergrund.

 

Wissenschaftler forschen schon lange über die Chancenungleichheit zwischen Kindern mit Migrationshintergrund und denen ohne Migrationshintergrund. Jüngst machte der nationale Bildungsbericht der Bundesregierung deutlich: In Deutschland bestimmt zu großen Teilen die soziale Herkunft, wie hoch die eigenen Bildungschancen sind. An der Universität Mannheim sorgte in den vergangenen Jahren der Psychologe Oliver Dickhäuser mit mehreren Studien zu der Thematik für Aufsehen.

2018 fanden er und sein Team heraus, dass einige angehende Lehrer Grundschüler mit ausländischen Namen schlechter benoten. Im Rahmen der Untersuchung legten die Wissenschaftler 204 Lehramtsstudenten im Alter von durchschnittlich 23 Jahren den Diktattext eines Achtjährigen vor. Während die Texte alle identisch waren, benotete die eine Gruppe einen fiktiven „Max“, die andere Gruppe einen „Murat“. Das Ergebnis: Fehler entdeckten die Lehramtsstudenten in beiden Fällen. „Dennoch leiteten die Beurteiler aus der gleichen Anzahl von Fehlern unterschiedliche Noten ab – mit Nachteil für die vermeintlich türkischen Schüler“, schreiben die Wissenschaftler.

Aus unserem Plus-Angebot: Rassismus in Filmen und Serien – Nicht mehr nur die Verbrecher

Akademikerkinder im Vorteil

Die Schuld an schlechteren Bildungschancen für Kinder mit Migrationshintergrund allein auf Teile der Lehrerschaft zu schieben, greift zu kurz. Generell ist belegt, dass Kinder ohne Akademikereltern in Deutschland deutlich seltener einen hohen Bildungsgrad erreichen als dieselbe Altersgruppe mit Akademikereltern. Das geht aus dem aktuellen Hochschulbildungsreport des Stifterverbandes und der Unternehmensberatung McKinsey hervor.

Demnach nehmen von 100 Akademikerkindern im Schnitt 74 ein Studium auf. Von 100 Kindern, deren Eltern keine Akademiker sind, schreiben sich dagegen durchschnittlich nur 21 an einer Hochschule ein. Dabei ist klar: Ein großer Teil der Eltern von Kindern mit Migrationshintergrund besitzt keinen akademischen Bildungsgrad.

Lesen Sie hier: Blumberg im Schwarzwald – Streit um Deutschpflicht auf dem Schulhof eskaliert

Keine Frage der Intelligenz

Die Auswirkungen beschreiben Wissenschaftler gerne in Form des sogenannten Bildungstrichters: In einen ersten Trichter werden von oben 100 Akademikerkinder und in einen zweiten die gleiche Anzahl Nichtakademikerkinder geworfen. Danach lässt sich betrachten, wie viele Kinder welchen Bildungsgrad erreichen und wie viele früher aussteigen. Ein Resultat: Von den 100 Kindern, die nicht aus einer Akademikerfamilie stammen, absolvieren 15 ihren Bachelor. Bei den Akademikerkindern sind es 63.

Die Unterschiede bedeuten nicht, dass Kinder mit Migrationshintergrund weniger begabt sind als diejenigen ohne Migrationshintergrund. Die Bildungsexperten Burkhard Jungkamp und Martin Pfafferott der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung erklären: „Viele Kinder und Jugendliche haben Schulprobleme, ja, aber nicht, weil sie, ihre Eltern oder Großeltern in Berlin, Istanbul oder wo auch immer geboren sind.“ Vielmehr lägen die Probleme darin, dass Eltern mit Migrationshintergrund oft weniger Geld, etwa für Nachhilfelehrer, besäßen und wegen ihres Bildungsgrads mitunter bei Schulaufgaben nicht so viel helfen könnten.

Aus unserem Plus-Angebot: Bewegungsmangel bei Kindern – Generation Unsportlich

Dass sich Frauen und Männer mit Migrationshintergrund aber in vielen Fällen über diese Widrigkeiten hinwegsetzen können, zeigen wir Ihnen an einigen prominenten Deutschen in unserer Bildergalerie.

Weitere Themen