Kings Club im Exil eröffnet Stuttgarts „Schwulenmutti“ meldet sich mit Power zurück

„Tanzen dürft ihr nicht“, sagt Clublegende Laura Halding-Hoppenheit, „nur mir auf der Nase rum.“ Nach vier Monaten Pause hat die „Schwulenmutti“ die rote Tür ihres neuen Kings Clubs geöffnet. „Corona ist schlimmer als Aids“, findet sie.
Stuttgart - Die Farben des Regenbogens hängen quer durch das abgedunkelte Lokal, das mal eine Spielhalle war. Der Umgang mit dem Corona-Virus ist kein Spiel. Ganz froh ist die Wirtin Laura Halding-Hoppenheit, dass es nach der fast dreimonatigen Zwangspause nicht die Treppen runter zum alten und ursprünglichen Kings Club geht, der an der Calwer Straße nach 44 Jahren bis Ende des Jahres erstmals von Grund auf saniert wird. Denn am alten Platz würde es schwerer fallen, auf das gewohnte Verhalten in Deutschlands ältester Schwulendisco zu verzichten.
An der Interimsstätte zwischen Tagblattturm und Wilhelmsplatz ist vieles anders: Die Musik ist gedämpft. Es herrscht strenges Tanzverbot. Auf die gewohnten Umarmungen wird verzichtet bei der Eröffnung am Mittwochabend im Kings Club im Exil, wie der neue, erweiterte Name lautet. Aber ein Club ist Lauras Reich nicht mehr, sondern eine Café-Bar. Nur am zugeteilten Sitzplatz darf man die Maske ablegen. Social Distancing fällt vielen schwer, doch die Alternative, sich gar nicht zu sehen, wäre schlimmer. Diszipliniert kommen die Gäste auf die Chefin zu, überreichen Geschenke und Blumen. Leuchtende Augen zeigen, wie froh man ist, dass es nun irgendwie weitergeht. „Aids war schlimm und hat uns hart gemacht“, sagt Stadträtin Laura Halding-Hoppenheit, „aber Corona ist noch schlimmer.“ Das neuartige Virus treffe alle, egal, wie alt man sei.
Die Zeit ohne ihre schwulen „Kinder“ war „Horror“
An den beiden Türen zum früheren „Wilhelms Bistro“, wie immer noch außen zu lesen ist, stehen Männer mit Masken. Zur einen Tür darf man rein, zur anderen raus. Vermischen dürfen sich die Wege nicht. Rot ist die beherrschende Farbe in den Räumen, die größer sind als das Original.
Das rote Porträt von Laura, das die Fotokünstlerin Silvie Brucklacher-Gunzenhäußer gemacht hat und im alten Kings Club der Blickfang beim Eintreten war, durfte mit umziehen. Viele Rainbow-Fahnen schmücken den Raum und die lange Bartheke. Am Freitag startet der CSD in Stuttgart mit dem Empfang im Rathaus. „Beim CSD muss ich meine Kinder sehen“, sagt die Wirtin mit donnernden Stimme, die Zeit ohne die Gay-Gemeinde sei für sie „Horrrrror“ gewesen.
Glücklich mit ihrem Peter, aber ohne Großstadt geht es nicht
Frisch verliebt ist sie, hat viele Wochen im Enzkreis bei ihrem Lebensgefährten, dem ebenfalls aus Rumänien stammenden Künstler Peter Jacobi, verbracht. Doch auf Dauer will und kann sie nicht ohne Großstadt sein. Als „Mutter der Schwulen“ will sie sich weiterhin dafür einsetzen, dass die Akzeptanz nicht nachlässt und die erreichten Fortschritte nicht unter deme Einfluss von erstarkten Rechten zurückgeschraubt werden. „Wir haben noch viel zu tun“, versichert die Rothaarige, „und wir müssen unseren Rainbow-Freunden in anderen Ländern helfen, damit auch sie vorwärts kommen.“
Das Aus der Clubs bedroht die Existenz von vielen Wirten. „Die Stimmung ist sehr schlecht“, sagt die Queen of the Night, „wenn man sich trifft, ist das so, als würde man sich bei einer Beerdigung sehen.“ Deshalb sei es so wichtig, dass die Stadt die gefährdeten Clubs endlich finanziell unterstützt, wie die Stadträtin der Linke dies mit anderen Fraktionen in einem gemeinsamen Gemeinderatsantrag fordert. „Wir haben Geld bekommen“, erklärt sie, „aber das reicht oft nicht mal für die laufenden Kosten.“
Auf die Fahrt mit dem Motorrad verzichtet sie beim CSD nicht
Am ersten Abend im neuen KC im Exil sollen die Probleme vergessen sein. Laura will Spaß und blickt lieber in die Zukunft. „Wenn der alte Kings Club aufmacht“, sagt sie, „mach ich aus dem Exil einen Lederclub.“ Sie deutet auf den leer stehenden Laden gleich nebenan: „Das wird der Darkroom.“ Auch in diesem Sommer wird sie auf dem Motorrad sitzen, wie dies seit vielen Jahren bei der CSD-Parade Tradition ist. Nein, das Leben müsse weitergehen. Mit dem Motorrad fährt sie zur Kundgebung auf dem Schlossplatz, die am Tag des eigentlichen CSD-Umzugs stattfindet. „Und dann“, verspricht sie, „sag’ ich auf der Bühne, dass wir noch lange nicht am Ziel sind.“
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