Irgend etwas ist schiefgelaufen. Hunderte Briefe vom Jugendamt haben Eltern nicht erreicht. Mit beträchtlichen Folgen: Denn was dann passierte, ließ die Eltern aus allen Wolken fallen.

Stuttgart - Der Brief des Stuttgarter Jugendamts vom 14. Februar hat die Eltern der kleinen Emma Müller (Name geändert) kalt erwischt. „In unserem Schreiben vom 6. 12. 2016 haben wir Sie um Rückmeldung gebeten, ob Sie noch einen Platz für Ihr Kind Emma Müller in einer unserer städtischen Kindertageseinrichtungen benötigen“, schreibt das Jugendamt. Und: „Da wir von Ihnen keine Antwort bis zum 1. 2. 2017 erhalten haben, müssen wir davon ausgehen, dass Sie kein Interesse mehr an einem Kitaplatz haben. Ihre Anmeldungen werden daher in den nächsten Tagen, wie angekündigt, aus dem städtischen Verwaltungsprogramm gelöscht.“

 

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Emmas Eltern waren in heller Aufregung, riefen sofort beim Jugendamt an und stellten den Sachverhalt richtig. Sie hätten jenen Brief vom Dezember nie erhalten. Es sei „vollkommen ausgeschlossen“, dass sie den Brief übersehen oder unbeantwortet gelassen hätten, da sie ja dringend auf einen Betreuungsplatz für Emma angewiesen seien, die zum kommenden Kindergartenjahr drei wird.

Jugendamt: „Viele Eltern sagen, sie hätten den Brief nicht erhalten“

Emmas Eltern sind nicht die einzigen, die jenen Brief nicht erhalten haben und nun eine Rücknahme der Löschung verlangen. Rund 500 Eltern hätten sich erst nach dem zweiten Brief gemeldet und ihr Interesse an einem Kitaplatz bestätigt, berichtet Uli Simon, Abteilungsleiter im Jugendamt, auf Anfrage dieser Zeitung.

„Viele Eltern sagen, sie hätten den Brief nicht erhalten.“ Man habe sofort eine Telefonhotline eingerichtet, so Simon – „die läuft jetzt heiß“. Hintergrund der ganzen Aktion: das Jugendamt will realistische Zahlen über den tatsächlichen Bedarf an Kitaplätzen bekommen. „Wir haben ein extrem hohes Interesse an einer bereinigten Warteliste“, sagt Simon.

„Wir haben Anfang Dezember 8576 Eltern angeschrieben“, berichtet er. Adressaten waren Familien, die Kinder unter sechs Jahren haben und bereits für einen Platz in den 148 städtischen Tageseinrichtungen auf der Warteliste stehen. In dem Schreiben habe man die Familien nicht nur um eine Mitteilung gebeten, ob sie noch Interesse oder kein Interesse mehr an einem Kitaplatz haben. Sondern sie sollten – bei Interesse – nur noch maximal drei städtische Wunschkitas angeben. Damit solle das Verfahren für die Vergabe der Kitaplätze, das am 15. Februar begonnen hat, „vereinfacht und beschleunigt werden“. Das war jedenfalls der Plan. Bisher hatten viele Eltern versucht, durch ein Mehrfaches an Anmeldungen ihre Chancen auf einen Kitaplatz zu erhöhen. Denn in Stuttgart fehlen derzeit Tausende von Betreuungsplätzen.

1130 Familien sind aus der Warteliste bereits gelöscht worden

Von den 8576 angeschriebenen Eltern hätten sich bisher nur 4402 bis Ende Januar beim Jugendamt zurückgemeldet, so Simon. 320 der Serienbriefe seien bisher als unzustellbar wieder beim Jugendamt gelandet. „Wir bekommen täglich noch Briefe zurück, die nicht zustellbar waren“, ergänzt Simons Kollegin Katrin Schulze. „Da machen wir es uns nicht einfach, sondern da recherchieren wir nach.“

Der Erinnerungsbrief von Mitte Februar, in dem das Jugendamt sechs Wochen nach Fristende schließlich die endgültige Löschung von der Warteliste ankündigte, sei an 3853 Eltern adressiert worden, von denen nun jene 500 Eltern die Rücknahme der Löschung verlangt hätten. 1130 Adressen habe man bisher gelöscht – diese Familien suchten keinen Platz mehr oder seien verzogen. 3300 Platzbedarfsmeldungen müssten noch überprüft – und gegebenenfalls gelöscht werden. „Wir haben extra noch ein paar Tage gewartet mit dem Löschen“, sagt Schulze.

„Manche Eltern rufen uns auch an und sagen, sie hätten was falsch eingegeben.“ Simon fasst zusammen: „Wir sind rund um die Uhr am Arbeiten, auch samstags, wir sind dauernd am Löschen, aber auch am Drinlassen – dadurch sind wir permanent überlastet.“ Denn schließlich soll die Kitaplatzvergabe bis Ende März abgewickelt sein.

Stadt kann sich die Panne nicht erklären

Die Serienbriefe an die Eltern, die auf Basis der Datenbank im Jugendamt erstellt worden seien, seien „nachweislich rausgegangen“, versichert Simon. Wie es zu der Panne kommen konnte, kann er sich nicht erklären. Auch im Rathaus, wo beide Serienaussendungen wie üblich kuvertiert wurden, hat man keine Erklärung parat. Bei Sendungsmengen von bis zu 480 000 und einer Rücklaufquote von gerade mal 0,003 Prozent könne „keineswegs von einer Postpanne gesprochen werden“, so der Sprecher der Stadt Stuttgart, Sven Matis.

Das Jugendamt kämpft derzeit noch mit einer weiteren Neuerung: Erstmals müssen alle Kinder über eine Online-Plattform zentral angemeldet werden.