Pfarrer Eberhard Schwarz und die Geschäftsführerin Sonja Marie Buntrock stärken das Profil und die Identität des Forum Hospitalviertel trotz der Einschränkungen in der Coronakrise. Neues Ethik-Café diskutiert über den „Kitt einer Stadtgesellschaft“.

Stuttgart - Auf welche drei Dinge freust du dich heute? Mit wem oder was fühlst du dich verbunden? Oder: Was lässt dein Herz höherschlagen? Und was lässt dich strahlen? Diese und weitere Fragen sind auf den blauen Stühlen zu sehen, die inzwischen zum Markenzeichen des Hospitalviertels geworden sind. „Mit den unterschiedlichen Fragen erhoffen wir uns, einen kleinen verbindenden Impuls zu setzen“, sagt Sonja Marie Buntrock, die Leiterin des Hospitalviertelvereins. „Die Menschen im Viertel können die blauen Stühle einfach als Sitzgelegenheit zum Verweilen nutzen, sich die Fragen durch den Kopf gehen lassen oder darüber ins Gespräch kommen.“ So schaffe man die Möglichkeit zur Verbindung der Menschen mit sich selbst, untereinander und auch mit dem Forum.

 

Allein damit ließe sich die Daseinsberechtigung des Vereins Forum Hospitalviertel beschreiben. Verbindungen schaffen, ins Gespräch zu kommen und die Bürger an allen wichtigen Themen im Viertel zu beteiligen ist eines der großen Vereinsziele.

Pfarrer Eberhard Schwarz lebt dies seit Jahren als Vereinsvorsitzender vor und lenkt das Forum so auch durch schwere Gewässer. Etwa, wenn es um die Finanzierung geht. „Noch sind wir im Doppelhaushalt bis Ende 2021 gesichert“, sagt Schwarz. Doch dann geht der Kampf um Geld von Neuem los.

Insofern fühlt sich Schwarz in seiner Haltung bestätigt, die Vereinsidentität nicht auf dem Altar des Geldes geopfert zu haben. Denn die damalige Geschäftsführerin Silvia Korkmaz wollte den Verein durch stärkere Mitglieder-Akquise finanziell schlagkräftiger machen. Die Ausrichtung sollte sich stärker auf den Handel und die Dienstleister im Quartier fokussieren.

Verein blieb sich treu

Damit hätte sich das Forum Hospitalviertel von seinen Wurzeln entfernt – und stünde heute womöglich vor ganz anderen Problemen. Denn gerade die kleinteilige Quartiersarbeit für den Handel scheint nicht mehr zeitgemäß, wie das Beispiel Gerberviertelverein zeigt. Der Verein kämpft derzeit um sein Fortbestehen.

Schwarz erinnert sich noch gut an die Diskussion über die Ausrichtung des Hospitalviertelvereins. Damals sagte er: „Wir sind kein Handels- und Gewerbeverein.“ Heute weiß er: „Wir haben Glück gehabt, dass wir diesen Weg nicht gegangen sind. Unsere grundsätzliche Frage muss immer lauten: „Was ist der Kitt einer Stadtgesellschaft. Und daran müssen wir unsere Arbeit ausrichten. Unsere Arbeit lautet, Impulse zu setzen.“ Daher spielen die blauen Stühle so eine große Rolle. Sie sind das Mittel zum Dialog, der in der Coronakrise etwas zu kurz kommt. „Wir haben in diesem Jahr kein Sommerfest und kein Projekt mit der Uni Stuttgart“, sagt Schwarz mit dem Unterton des Bedauerns.

Dies bedeute aber nicht, dass die übrigen Aufgaben und Themen brach liegen bleiben. „Wir beschäftigen uns natürlich weiter mit dem Demokratieprojekt Leuschnerplatz. Und mit der Entwicklung der Theo“, sagt der Pfarrer, der die Coronakrise auch zum Ansporn nimmt: „Gerade diese Pandemie eröffnet Themen und Dinge, die man neu anpacken kann. Was ist in so einer Stadtgesellschaft wirklich systemrelevant. Und was ist eigentlich mit System gemeint.“

Um solche Fragen zu diskutieren, haben Schwarz und Buntrock sich die Frage gestellt, „welche Themen momentan präsent sind, und wie sie in Events realisiert werden können“. Eine Antwort ist das neue Ethik-Café im Hospitalviertel mit Dr. Günter Renz. „Denn die ethischen Herausforderungen unserer Zeit sind längst nicht mehr nur abstrakte Fragestellungen im Elfenbeinturm von Ethikkommissionen, Hochschulen oder exklusiven Talkrunden. Immer deutlicher drängen die Grundfragen menschlichen Zusammenlebens herein in den Alltagsdiskurs“, sagt Buntrock. So werden im Foyer des Hospitalhofs jeweils von 18 bis 19.30 Uhr bei freiem Eintritt Fragen nach „Werte, Moral und Ethik“ (16. September), „Verantwortung“ (14. Oktober), „Empathie und Hilfsbereitschaft“ (17. November), „Gerechtigkeit“ (2. Dezember) und im neuen Jahr „Autonomie und Freiheit“ sowie der Begriff der „Solidarität“ gefragt.

Auf zu neuen Ufern

Zudem findet am 26. November (18 Uhr, Hospitalkirche) ein Hearing und Gespräch mit dem Thema Community im Quartier mit Prof. Astrid Ley statt. Nicht zuletzt bietet das Forum wieder zahlreiche Quartiersführungen im Hospitalviertel unter verschiedenen Aspekten an. Vielleicht sitzt man vor oder nach einer der Veranstaltungen auf einem der blauen Stühle und kann dann mit neuem Wissen folgende Frage beantworten: „Was würde sich ändern, wenn du morgen früh aufwachst und du dein Ziel erreicht hättest? Pfarrer Schwarz und Sonja Marie Buntrock würden wohl sagen: „Auf zu neuen Zielen im Hospitalviertel.“