Während in Wien neue „Richtwerte“ für die Begrenzung der Flüchtlingszahlen verabschiedet werden, versucht die CSU-Landtagsfraktion in Wildbad Kreuth Angela Merkel erneut für eine Obergrenze zu gewinnen.

Manteldesk: Mirko Weber (miw)

Wildbad Kreuth - An deutlichen bis drastischen Umschreibungen der Situation in der Flüchtlingspolitik ist kein Mangel auf Seiten der Kritiker bestehender Verhältnisse. Gefragt, wie dick sein Geduldsfaden sei, antwortet der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer in Wildbad Kreuth bei der Tagung der CSU-Landtagsfraktion: „Fällt scho schwer. Fällt extrem schwer“, was darauf schließen lässt, dass besagter Faden extrem dünn geworden ist. Seehofer, der zu Anfang der Tagung bei seiner Rede einen kleinen Schwächeanfall wegen einer nicht auskurierten Grippe verkraften muss, weiß sich in der Sache dabei von einer Gruppe in der Partei massiv gestützt, die keine großen Rücksichten nehmen will. Was die Fraktion aus dem Maximilianeum denkt, ist allein ihre Sache, sagt sie. Dementsprechend tritt sie auf vor dem Besuch der Kanzlerin auf und fügt der beabsichtigten Verfassungsänderung in Sachen Leitkultur noch schriftlich einen Zwölf-Punkte-Plan hinzu. „Menschlich freundlich“, gehe man die Begegnung an, sagt der CSU-Fraktionschef Thomas Kreuzer, „aber hart in der Sache“.

 

Wie hart, offenbart die Wortwahl des Briefes, der vor allem von jungen Abgeordneten verfasst worden ist: es ist die Rede von „einer Schicksalsfrage dieser Republik“ und „tiefer Sorge um unser Land“. Eine drastische Verringerung der Flüchtlingszahlen sei in allernächster Zeit „unbedingt notwendig“. Von einem sofort aufzulegenden „Bremsklotz“ spricht der bayerische Innenminister Joachim Herrmann, dem die jüngste, von der bayerischen Staatsregierung bestellte Expertise zu Merkels „Wir schaffen das“-Politik ersichtlich noch einmal Wasser auf die Mühlen gewesen ist. Überdies weiß sich die Staatsregierung relativ einig mit halben bis absoluten Mehrheiten in der bayerischen Bevölkerung: 47 Prozent würden derzeit die CSU wählen, nur 32, 5 Prozent national die CDU („und die war mal bei 43“, sagt Seehofer).

Die CSU treibt die Sorge um, dass die Union einbricht

Es treibt ja die CSU nicht nur die Flüchtlingspolitik um, sondern die Angst, als Union massiv bei den Wählern einzubrechen. Die AfD lässt grüßen – und Seehofer, im Freistaat schon geschlagen mit den Freien Wählern, deren Unterstützer mehrheitlich alte CSU-Klientel sind, hat das stets mit im Blick. Somit scheint jetzt alles aufgeboten, was überhaupt möglich ist aus den Reihen der CSU: die mobilisierte Landtagsfraktion, die von der Basis berichten kann (und das kann sie, es wird da nicht besser derzeit), eine zwar noch hinhaltende Landesgruppe in Berlin (wo aber bereits Minister Alexander Dobrindt auf Konfrontationskurs geht), dazu Altvordere wie Edmund Stoiber, die kein Blatt mehr vor den Mund nehmen.

„Du machst Europa kaputt“, soll ausgerechnet der alte Euro-Skeptiker der Kanzlerin in Kreuth Anfang Januar entgegen geschleudert haben. Und Angela Merkel tat, laut Teilnehmern, als habe sie’s nicht gehört – und schaute auf die Tischplatte. Zuletzt meldet sich auch noch Theo Waigel, der im Münchner „Merkur“ nicht zu Unrecht ein „parlamentarisch politisches Programm mit Leitlinien, Prinzipien und der Darstellung operativer Maßnahmen“ fordert. Zudem müsse Merkel allen europäischen Partnern und Verbündeten klarmachen, was es heiße, „wenn nationale Grenzen in Europa geschlossen würden“.

Österreich sieht sich zu einer „Notlösung“ gezwungen

Waigels Aufruf ist, bei aller Entschiedenheit in der Sache, respektvoll formuliert, und unterscheidet sich somit wohltuend vom Ton, der ansonsten jetzt eingerissen ist in der Debatte, die eigentlich keine ist, sondern mehr ein, teils begründetes, teils unreflektiertes Geholze auf Seiten der CSU gegenüber einem Wald aus Schweigen auf Merkels Seite. Aber auch Waigels Einlassungen sind schon wieder überholt, weil aus Wien die Meldungen vom Asylgipfel der österreichischen Staatsregierung eintreffen, wo ebenfalls eine Große Koalition aus SPÖ und ÖVP regiert, allerdings unter umgekehrten Vorzeichen: hier sind die Sozialdemokraten die Stärkeren.

Dennoch ist es vor allem der Initiative des ÖVP-Außenministers Sebastian Kurz zu verdanken, dass sich Regierung auf eine Obergrenze einigt, die dort Richtwert genannt wird: in den nächsten vier Jahren sollen nicht mehr als 130 000 Menschen aufgenommen werden, das entspricht 1,5 Prozent der Bevölkerung. Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) spricht von einer „Notlösung“, weil der „europäische Plan A“ nicht funktioniere. Gutachten untersuchten, was passiere, wenn diese Zahlen vorzeitig erreicht würden, aber es kann sein, dass sie noch nicht geschrieben sind, wenn man sie benötigte. Spätestens im nächsten Jahr, antwortet direkt der Generalsekretär von Amnesty, Heinz Patzelt, breche diese Berechnung in sich zusammen.