Der Klinikverbund Südwest etabliert am Böblinger Krankenhaus ein Zentrum für Thoraxchirurgie und Pneumologie. Der Spezialist Thomas Kyriss ist einer von bundesweit 400 Experten für Lungenkrebs und Trichterbrust.

Böblingen - Lungenkrebs ist eine niederschmetternde Diagnose. Wenn sie gestellt wird, ist es meistens zu spät. Die Überlebensrate ist gering. „Von 100 Patienten, die ich behandele, kommen zehn für eine Operation in Frage“, sagt Thomas Kyriss. Und bei sieben oder acht davon sei die OP dann erfolgreich. Seit mehr 30 Jahren arbeitet Kyriss als Thoraxchirurg. Nach vielen Jahren als Experte an der Klinik auf der Schillerhöhe in Gerlingen (Kreis Ludwigsburg) ist er seit fünf Monaten am Böblinger Krankenhaus. Dort soll er er den neuen Schwerpunkt Thoraxchirurgie und Pneumologie aufbauen.

 

Experten wie er sind dünn gesät. Auf ein paar hundert schätzt Kyriss das Feld von Spezialisten, die Lungentumore und Trichterbrüste operieren können. Der Klinikverbund Südwest will nun ein neues Zentrum für diese Disziplin werden. Dabei pendelt der Experte, der am Böblinger Krankenhaus stationiert ist, bei Bedarf auch an die anderen Kliniken des Verbunds: nach Leonberg, Herrenberg, Calw und Nagold.

Momentan ist er der einzige Experte für das Fachgebiet und deshalb ständig in Rufbereitschaft. Da kann es schon mal vorkommen, dass er samstagnachts nach Leonberg gerufen wird, wo die Kollegen der Klinik seinen Rat für einen Patienten brauchen. „Ich bin der Auto-Doc für die A 81“, sagt Kyriss über sich selbst. Nicht ganz einfach für den 59-Jährigen, der Vater von fünf größtenteils noch minderjährigen Kindern ist.

Der Doc ist oft auf der A 81 unterwegs

Die schwierigen Fälle, vor allem die Lungenkrebspatienten, behandelt er jedoch ausschließlich in Böblingen. Hier stehen alle notwendigen Geräte für die Diagnostik zur Verfügung. Und in Böblingen operiert er auch – überwiegend mit der minimalintensiven Methode, auch Schlüsselloch-OP genannt. Wenn es sein muss, greift der Chirurg aber auch zur Säge, um einen Brustknochen zu durchtrennen. „Im Grunde bin ich ein Handwerker“, sagt er über seine Profession.

Das Schwierigeste am Job aber sei der Umgang mit den Patienten. Da mangele es manchen Arzt an Einfühlungsvermögen, sagt Kyriss, der mit einer Psychologin verheiratet ist. Zeit, an der es Klinikärzten stets mangele, sei dabei keine Ausrede für mangelnde Empathie. Um einem Patienten eine Diagnose wie Lungenkrebs mitzuteilen, „muss ein gutes Gespräch nicht lang sein“, sagt Kyriss. Kurz, knapp und sehr konkret, dabei einfühlend teile er die Diagnosen mit. „Am besten ist es, wenn ein Angehöriger dabei ist. Der Patient selbst versteht das oft nicht alles auf Anhieb“, so seine Erfahrung.

Vorsichtig ist Kyriss mit der Prognose. Das Tückische am Lungen– oder Bronchialkrebs sei, dass sich meist schon Metastasen gebildet hätten, wenn der Tumor entdeckt wird. Dann sei es häufig zu spät für eine Operation. „Auch wenn die Situation aussichtslos ist, weiß ich nicht, wie lange der Patient noch zu leben hat“, sagt der Arzt. Ein konkrete Zahl für die Überlebenszeit zu nennen, sei daher schwierig. „Wenn aber einer fragt, ob er noch ein paar Monate hat, dann nicke ich. Man muss den Leuten die Möglichkeit geben, noch einige Dinge zu regeln.“

Lungenkrebs trifft vor allem Raucher

Erstaunlich gelassen, anders als die anderen Krebspatienten, nähmen die meisten seiner Patienten die schlimme Diagnose entgegen, hat Kyriss beobachtet. „Die meisten sind starke Raucher. Die wussten, dass das irgendwann zu einem Tumor führen kann“, erzählt er. Auch der Arzt selbst hat lange geraucht. „Mit Mitte 30 habe ich es mir dann abgewöhnt, vermutlich auch wegen der vielen Lungenkrebspatienten.“

Eine hohe Frustrationstoleranz braucht Kyriss in seinem Job. Die Heilungsrate bei Lungentumoren ist gering. Um so mehr freut sich der Mediziner über Patienten, denen er wirklich helfen kann. Zum Beispiel jungen Männern oder auch Frauen, die unter einer Trichterbrust leiden. Mit einer Operation kann er ihnen zu einem normalen Aussehen verhelfen. Auch für dieses Spezialgebiet ist Kyriss einer der bundesweit raren Experten.

Behandelt werden am neuen Thoraxzentrum in Böblingen aber auch Krankheiten wie Asthma oder Raucherhusten. Dafür gibt es mit Tabea Hochstetter eine zusätzliche Spezialistin. Noch befindet sich das Zentrum im Aufbau. Ziel sei, bis in zwei Jahren jeweils zwei Spezialisten für die Thoraxoperationen sowie die anderen Krankheiten zu haben, sagt Thomas Kyriss. „Dann muss ich nicht rund um die Uhr in Bereitschaft sein. Und auch in Urlaubszeiten ist dann immer ein Experte zu erreichen.“