Wird am Krankenhausessen zu Lasten der Qualität gespart? Die Küchenchefs mehrerer Kliniken in Stuttgart widersprechen. Sie sehen Sparpotenzial an ganz anderen Stellen.

Stuttgart - Tag für Tag servieren Stuttgarts Krankenhausköche mehrere tausend Essen. Sie sieden, kochen und braten unter finanziellem Druck und bei steigenden Ansprüchen: Die Warenkosten pro Patient und Tag liegen im Bundesdurchschnitt bei 5,14 Euro, so hat es das Deutsche Krankenhausinstitut in einer Befragung von rund 380 Allgemeinkrankenhäusern ermitteln lassen und in der Care-Studie 2019 zusammengefasst. Auch Stuttgarter Kliniken spüren den Kostendruck.

 

Rund 1200 Mahlzeiten bereitet die Küche des Diakonieklinikums für Patienten und Mitarbeiter täglich zu. Kassler, Sauerkraut und Kartoffelpüree, wahlweise auch Gnocchi mit Spinat und Käsesoße stehen Anfang der Woche auf dem Speiseplan. „Braten, Soßen und Suppen lassen wir bei niederer Temperatur garen und können auf diese Art die Geräte auch über Nacht auslasten“, sagt Chefkoch Michael Viehmann (42). Der Wareneinsatz liege deutlich über dem Betrag von fünf Euro, ein Problem hat Viehmann mit seinem Budget nicht: „Damit bekommt unser 35-köpfiges Team ein frisches, qualitätsvolles Essen auf die Teller.“

Ressourcen sparen

Der Küchenmeister, der auch schon in Hotels gekocht hat, hält an regionalen Lieferanten fest oder schlägt Eier frisch auf, statt Flüssigei zu verwenden, steuert aber die Prozesse in der Küche dafür ressourcensparend: Die Kartoffeln fürs Püree werden geschält eingekauft; die Gnocchi sind fertig zugekauft und der Spinat kommt aus dem Tiefkühlfach. „Was bringt ein Budget von 15 Euro pro Tag und Kopf, wenn ich das Personal nicht habe, um Frischwaren zu verarbeiten. Und stellen Sie sich mal die Berge von Spinat vor, die man zu verarbeiten hätte!“

Die saisonale Küche bietet dem Chefkoch eine weitere Stellschraube, um die Kosten im Zaum zu halten. „Der Klassiker früher war Spargelcremesuppe. Heute ersetze ich die im Winter durch Cremesuppe aus Maronen, Pastinaken oder Kürbis.“ Und mittels der Menügestaltung lenkt er die Kosten außerdem: „Wenn ich paniertes Schnitzel mit Kartoffelsalat auf dem Menüplan habe und dem nichts Spannendes entgegensetze, habe ich lauter Bestellungen für Schnitzel und entsprechend hoch sind die Kosten für den Wareneinsatz. Biete ich aber als zweites Essen Spaghetti aus dem Parmesanrad an, greifen viele Patienten dort zu, die Kosten sinken.“

Die Chefs probieren, ob’s schmeckt

Frisch und schonend gekocht muss es bei Viehmann sein, die Regenerationsphasen so kurz wie möglich; er hält dies und die Leidenschaft fürs Kochen für die besten Qualitätsgaranten. „Wir kochen gemäß der Empfehlungen des Deutschen Instituts für gesunde Ernährung, aber den Qualitätstest machen wir selbst: wir sehen, wann was fertig ist, da verkocht nichts. Und wir probieren selbst, ob es schmeckt.“

Die hausinterne Patientenbefragung aus dem Jahr 2019 gibt ihm Recht: Im Durchschnitt bekam die Verpflegung im Diakonie-Klinikum die Note 1,8, wobei die Patienten die Abwechslung, die Sorgfalt bei der Zubereitung und die Güte der Beratung durch die Menüassistentin bewerten durften.

AOK, Barmer und die Kaufmännische Krankenkasse befragen bundesweit Versicherte zu ihren Erfahrungen im Krankenhaus. Es werden dabei jährlich über eine Million Fragebögen versendet, fast die Hälfte der angeschriebenen Patienten aus rund 2000 Krankenhäusern beantwortet die Fragen. Die Ergebnisse dieser bisher größten Patientenbefragung in Europa und die Weiterempfehlungsquoten sind in der so genannten Weißen Liste gesammelt. Bewertet werden die Zufriedenheit mit ärztlicher Versorgung, der Pflege und dem Service. Mit dem Essen waren im Diakonie-Klinikum laut Weißer Liste 81 Prozent der Patienten zufrieden (Bundesschnitt: 76 Prozent).

Im Marienhospital, wo ebenfalls jeden Tag frisch gekocht wird, waren es 75 Prozent der Befragten und 74 Prozent im Robert-Bosch-Krankenhaus, wo ein Cateringunternehmen das Essen im Haus zubereitet – ebenfalls frisch. Für das Klinikum Stuttgart, wo seit Bezug des Neubaus 2007 das Essen gekocht, portioniert, tiefgekühlt und portionsweise wieder regeneriert wird (Cook & Chill), weist die Liste eine Zahl von 70 Prozent aus. Stellungnahmen des Klinikums lagen unserer Zeitung wegen einer Erkrankung der Küchenleiterin nicht vor.

Ob die Essensversorgung der genannten Häuser ernährungswissenschaftlich ebenso gut zu beurteilen ist, erfasst die Weiße Liste nicht. Jedoch stimmen alle ihre Ernährungspläne mit Diät- und Menüassistentinnen ab, teils kochen sie, wie beispielsweise im Robert-Bosch-Krankenhaus, in mehreren Chargen, um Vitaminverluste zu verringern.

Experten am Menüplan beteiligt

Besonderes Augenmerk auf die Rohstoffe legen Köche in der Filderklinik. „Dafür liegen die uns zur Verfügung stehenden Mittel mindestens doppelt so hoch wie 5,14 Euro“, sagt Roman Wirth, der Küchenchef. Der Bio-Anteil der Waren betrage über 75 Prozent, auch Demeterprodukte kämen zum Einsatz. Dass die Verpflegungssätze des gemeinnützigen, anthroposophisch ausgerichteten Krankenhauses „hoch und unwirtschaftlich sind“, räumt der Geschäftsführer der Filderklinik, Nikolai Keller, ein, „sie sind uns aber aufgrund unseres Qualitäts- und Therapieverständnisses wichtig“.