Nicht Fahrverbote spalten die Koalition, sondern begrünte Dächer und überdachte Fahrradabstellplätze. Wie kann das sein?

Stuttgart - Der Streit um die Landesbauordnung (LBO) belastet die grün-schwarze Koalition inzwischen stärker als die geplanten Fahrverbote für Dieselautos. Dabei hatte die automobile Frage bisher als mögliche Sollbruchstelle für Grün-Schwarz gegolten. Jedenfalls war sie dazu unter führender Beteiligung namhafter Oppositionspolitiker wie Hans-Ulrich Rülke (FDP) stilisiert worden.

 

Statt dessen treiben nun Abstellplätze für Fahrräder den Puls der Koalitionspolitiker in die Höhe. Auch erhitzen begrünte Dächer und Häuserfassaden die Gemüter. Dabei ist Grüngut doch recht eigentlich geeignet, mittels seiner naturnahen Anmutung gestresste Großstadtgemüter zu beruhigen. Nicht so im Fall des Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann, der – am Dienstag auf einer Pressekonferenz nach der Landesbauordnung befragt – den CDU-Generalsekretär Manuel Hagel hart anging. Hagels Wortwahl sei nicht dazu geeignet, die Kompromisssuche zu vereinfachen, monierte Kretschmann. Pauschale öffentliche Angriffe erschwerten eine Lösung. Probleme sollten hinter den Kulissen abgearbeitet werden.

Der Goldhamster der Koalition

Was war geschehen? Generalsekretär Hagel, der auch ein Landtagsmandat innehat, hatte den Grünen eine ideologiegetriebene Blockade bei der Reform der Landesbauordnung vorgeworfen. Die Pflicht zur Dachbegrünung und zur Bereitstellung von ebenerdigen, geschützten Fahrradabstellplätzen war von der grün-roten Koalition unter Federführung des damals als Infrastrukturminister zuständigen Winfried Hermann eingeführt worden. Die jetzt mit der Reform befasste Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) will in ihrem Gesetzentwurf für eine LBO-Novelle diese beiden Pflichten eliminieren. Sie versteht dies als Beitrag, das Bauen zu verbilligen. Kretschmann sagte dazu, wenn die Ministerin das Bauen günstiger machen wolle, dann wäre mit dem Verzicht auf Auto-Stellplätze deutlich mehr gewonnen. Das wolle die CDU aber nicht. In der Sache steht Kretschmann zu seinen Grünen-Ministern Franz Untersteller (Umwelt) und Winfried Hermann (Verkehr). Der eine ist zuständig für das Grün auf Dächern und an Fassaden, der andere für Fahrräder.

Kretschmanns Haltung ist insofern interessant, als er gegenüber der Wirtschaftsministerin Härte zeigt. Seinem Stellvertreter Thomas Strobl, dem Anführer der CDU in der Koalition, liest er hingegen regelmäßig jeden Wunsch von den Lippen ab. Ob mehr Geld für Glasfaserkabel oder mehr Stellen für die Innere Sicherheit: Strobl hamstert sich durch die Regierungsgeschäfte – er ist der Goldhamster der Koalition. Auch Justizminister Guido Wolf (CDU) überkommt stets der Hunger, wenn Personalstellen verteilt werden. Die Newcomerin Hoffmeister-Kraut tut sich da schwerer. In der CDU gibt es etliche Stimmen, die mahnen, Strobl möge sich nicht nur um seine eigenen Belange kümmern, sondern auch um die Anliegen der anderen CDU-Regierungsmitglieder.

Währenddessen überziehen sich die Koalitionäre mit Ideologie-Vorwürfen. Die Grünen-Landesspitze nannte CDU-Generalsekretär Hagels Einlassungen, „die in Beton gegossene Ignoranz der CDU gegenüber den Herausforderungen bei Klimaschutz und Städtebau“. Die Opposition betrachtet interessiert das Geschehen. „Grün-Schwarz ist beim Wohnungsbau nicht handlungsfähig“, konstatiert der SPD-Abgeordnete Daniel Born.