Werden zwei Menschen von 240 Euro 31 Tage lang satt? So viel Geld veranschlagt der Staat im Hartz-IV-Satz für Lebensmittel und Getränke. Brigitte Decker hat das ausprobiert und über ihre Erfahrungen ein Kochbuch geschrieben.

S-Süd - Ich bin nie hungrig vom Tisch aufgestanden“, sagt Manfred Decker über das Experiment, auf das er und seine Frau Brigitte sich eingelassen hatten: Essen mit Hartz-IV-Budget. 31 Tage lang haben sie ihre Ausgaben für Lebensmittel und Getränke mit 239,70 Euro bestritten. 239,70 Euro, so hoch veranschlagte der Gesetzgeber vergangenes Jahr den Anteil für Essen und Trinken am Hartz-IV-Satz – für zwei Personen. „Ich wollte einfach nur wissen, ob es geht“, sagt Brigitte Decker. Unzählige Politik-Talkshows hatten sie bei dieser Frage ratlos zurückgelassen. Ihre Antwort dokumentierte die 63-Jährige in einem Fotobuch. Zunächst nur für sich selbst. Nun hat sie daraus ein Kochbuch entwickelt.

 

Brigitte und Manfred Decker wohnen im Süden am Hang unterhalb des Hasenbergs. Sie können mehr als 240 Euro monatlich für Nahrungsmittel und Getränke ausgeben und tun das normalerweise auch. 240 Euro – das bedeutet einige Einschränkungen beim Einkauf. „Fleisch geht nur am Rande, Bioprodukte gar nicht. Mit Fertiggerichten überschreitet man das Budget sowieso schnell“, schildert Brigitte Decker einige Hürden. Auch auf Markenprodukte verzichtete Decker. Wenn die günstigsten Spaghetti im Supermarkt 49 Cent kosteten, dann kaufte sie eben nicht die für 1,49 Euro.

Auch bei 240 Euro gibt es einen Spielraum

Deckers Kochbuch „Eine kulinarische Herausforderung“ ist aber mehr als eine Sammlung von günstigen Rezepten. Es ist die Anleitung für den Leser, sich einen Budgetplan zu erstellen. Zu überlegen, was die Familie gerne isst, welche Rezepte man mag und entsprechend einzukaufen und zu kochen. „Immer wieder sagen Vertreter von Wohlfahrtsverbänden, dass es ohne Tafelläden, Essensgutscheine und andere Angebote nicht geht. Aber man hat selbst innerhalb von 240 Euro einen Spielraum“, hat Brigitte Decker für sich festgestellt. Sie ist überzeugt davon, dass viele Familien diesen auch nutzen und mit dem Hartz-IV-Budget klarkommen. Was jedoch nicht heißt, dass Decker soziale Einrichtungen wie Tafelläden für überflüssig hält. „Es gibt Leute, die kommen ohne diese Unterstützung nicht klar“, sagt sie. Diejenigen, die sie nicht brauchen, müsse man aber in die Lage versetzen, selbstbestimmt zu handeln.

Leben mit Hartz-IV-Budget erfordert Planung. Das hat Brigitte Decker schnell für sich festgestellt. „Ein Nachschlag ist da nicht drin. Hartz IV erfordert eine Diät des Maßhaltens“, sagt sie. Das heißt nicht, dass sie und ihr Mann auf Kuchen oder Desserts hätten verzichten müssen. Im Gegenteil, für jeden Tag hat sie neben Frühstück, Mittag- und Abendessen auch noch ein Dessert pro Person eingeplant. Muffins oder einen Blechkuchen etwa hat sie in größeren Mengen vorbereitet, eingefroren und nur stückweise wieder aufgetaut.

Budget kann man nur mit günstigen Produkten halten

Den Menschen jedoch vorzuschlagen, zehn verschiedene Läden abzuklappern, um die besten Sonderangebote zu finden oder auf den Feldern Löwenzahn und Rauke zu sammeln, hält Decker für Unsinn. In anderen Hartz-IV-Kochbüchern sind solche Empfehlungen durchaus zu finden. „Das ist doch viel zu zeitaufwendig“, sagt Decker. Sie ist während ihres Experimentes immer in ein und denselben Supermarkt gegangen. „Dort, wo man sich auskennt, lässt man sich viel weniger verführen“, erklärt sie den Grund dafür. Sowohl im Supermarkt als auch im Discounter könne man mit den jeweiligen Niedrigpreis-Produkten das Budget halten.

Auf fünf bis neun Euro belaufen sich Kosten für die Tagesmenüs, die Brigitte Decker zusammengestellt hat. Tag 25 mit einem Budget von 12,61 Euro ist eindeutig die Ausnahme. Gulasch und Semmelknödel hat Decker da zum Mittagessen eingeplant. Zwar sei nicht täglich das Stückchen Kuchen vom Bäcker drin, sagt sie, aber zwischendurch könne man sich auch bei diesem Budget etwas gönnen. „Es ist natürlich nicht einfach. Alle müssen da an einem Strang ziehen“, sagt sie. Dann seien aber auch ein Kasten Bier oder einige Süßigkeiten drin.