Aufgelesen im Kreis: Süßes und Saures. Diese Woche regiert der schnöde Mammon. In Deckenpfronn ist die Welt noch in Ordnung – so lange die Gutwilligkeit nicht auf die Probe gestellt wird.

Böblingen: Kathrin Haasis (kat)

Deckenpfronn - Maria ist Abweisung gewohnt. Auf ihrem Weg von Nazareth nach Bethlehem konnte ihr Mann Josef schon keine Herberge finden. Am Ende musste die Mutter Gottes bekanntermaßen in einem Stall niederkommen. In Herrenberg steht ihr jetzt nicht einmal mehr eine Garage zur Verfügung. Die Stadverwaltung hat sich dem Dämon Mammon gebeugt und die Mariengarage umgetauft – zur schnöden Altstadtgarage. „Damit soll die unmittelbare Nähe zur Altstadt für ortsfremde Besucher deutlich werden“, teilt die Mitmachstadt mit. Das klingt zwar so, als wären damit prinzipiell auch Maria und Josef gemeint. Aber in ihrem Zustand wären die steilen Gassen wohl nicht das richtige Pflaster. Und als arme Leut’ hätten sie dort mangels Ställen erst recht keine Unterkunft gefunden.

 

Das Breuningerland zeigt sich dagegen vordergründig etwas barmherziger als Herrenberg. Erstens kosten dort die Parkplätze bekanntermaßen nichts. Und weil viele Besucher von weit herkommen, sollen sie gerade in der Weihnachtszeit nicht an verschlossene Türen klopfen müssen: Bis zum 23. Dezember hat das Einkaufszentrum deshalb seine Öffnungszeiten bis auf 22 Uhr ausgedehnt. Als „ein ganz besonderes Geschenk für alle Weihnachts-Geschenke-Sucher“, bezeichnet der Center-Manager Serge Micarelli das selbstlose Angebot. Es wäre kaum verwunderlich, wenn er es schaffen würde, dass demnächst auch ein Stern über dem Breuningerland leuchtet, um den Menschen mit den dicken Geldbeuteln den richtigen Weg zu weisen.

Für einen Flüchtling 3,85 engagierte Deckenpfronner

Man kann Maria und Josef nur wünschen, dass sie derzeit in Deckenpfronn landen. Dort hat sich kürzlich die CDU-Landtagsabgeordnete Sabine Kurtz umgesehen. „Die Menschen interessieren sich in erster Linie für Fragen der Flüchtlingsunterbringung“, berichtete dabei der Bürgermeister Daniel Gött. Das klingt schon sehr einladend. Dazu lieferte er erstaunliche Zahlen: Der Ort habe zur Zeit acht Flüchtlinge, wobei in diesem Jahr weitere fünf dazukämen, während sich gleichzeitig eine 50-köpfige Bürgerinitiative zur Betreuung der Neuankömmlinge gegründet habe. Das ist ein sensationeller Schlüssel, von dem jede staatliche Einrichtung nur träumen kann. Jesu Eltern bekamen nur Ochs und Esel zur Seite gestellt. Leider werde sich die Relation von 3,85 Deckenpfronner auf einen Flüchtling nicht aufrecht erhalten lassen, sagte der Bürgermeister der mit rund 3000 Einwohner kleinsten Kommune des Landkreises. Bereits zum Ende des nächsten Jahres rechnet er mit rund 100 Flüchtlingen.

Die Aidlinger feiern Silvester in der Werkstatt

Mit der Belegung der Deckenpfronner Mehrzweckhalle würde der Spaß allerdings aufhören, lautete die nicht mehr ganz so frohe Botschaft von Daniel Gött an die christdemokratische Abgeordnete. Würde das Gebäude zur Unterkunft, müssten nicht nur sportliche Angebote ausfallen, sondern auch Vereinskonzerte, Fasnachts- und andere Festveranstaltungen. „Das wird das gemeindliche Leben empfindlich beeinträchtigen“, befürchtet der Bürgermeister laut Sabine Kurtz. Und er warne davor, „die Gutwilligkeit der Bevölkerung auf die Probe zu stellen“.

Bei all ihrem Engagement fehlt es den Deckenpfronnern offensichtlich an der Flexibilität, wie sie die Aidlinger vorführen. In dem Ort (rund 9125 Einwohner und 60 Flüchtlinge) wird in diesem Jahr der erste Silvesterball vom Handels- und Gewerbeverein gefeiert – bei einem Karosseriebauer. „Die Werkstatt wird zur Tanzfläche“, steht in der Ankündigung. Falls bis dahin Flüchtlinge in die gemeindeeigene Sonnenberghalle einziehen, wäre das gemeindliche Leben also unbeeinträchtigt.