Die Stadt Ludwigsburg schenkt sich zum 300. Geburtstag eine Stadtschreiberin. Langweilig wird es ihr ganz bestimmt nicht werden.

Region: Verena Mayer (ena)

Ludwigsburg - Was kann man jemandem schenken, der schon alles hat? Geld, Immobilien, Kunst – alles reichlich vorhanden. Und wie, kann man sich bei dieser Gelegenheit auch fragen, soll man einen runden Geburtstag feiern, wenn schon der letzte Maßstäbe gesetzt hat? Nun, die Stadt Ludwigsburg, von deren 300. Geburtstag hier die Rede ist, hat auf beide Fragen angemessen großartige Antworten gefunden: Das Jubiläum zur Stadterhebung wird mit noch mehr und noch beeindruckenderen Veranstaltungen begangen als das Jubiläum zur Stadtgründung anno 2009. Und als ganz besonderes Geschenk ist der Stadt tatsächlich auch etwas eingefallen, das sie noch nicht hat und auch noch nie hatte: eine Stadtschreiberin!

 

Zweifache Einzigartigkeiten

Halt, mögen Conaisseure einwenden! Sehr wohl verfügt die Stadt schon jetzt über Schreiberinnen. „Die Stadtschreiberinnen“ nennen sich die Damen, die aus Erinnerungen und Erfahrungen von „Ludwigsbürgern“ beschreiben, was Ludwigsburg zu Ludwigsburg macht. Und ja, möchte man diesen Conaisseuren zurufen, auch den „Ludwigsbürger“ gibt es nun zweimal. Eine Werbeagentur hat ihn, um den sich im Jubeljahr alles drehen soll, erfunden und wird ihn mit Plakaten („Das Leben genießen wie ein Ludwigsbürger“) erst zum Leben erwecken. Aber was macht das schon? Sind wir nicht alle Ludwigsbürger! Und gibt es nicht genug für alle zu schreiben.

Goethe passt immer

Zum Beispiel darüber, dass die Firma Nestlé die schönen Bahnhofspläne der Stadt zunichte gemacht hat. Wäre es nach der Stadt gegangen, hätten sich in einigen ungenutzten Gebäuden von Nestlé hippe Firmen aus zukunftsträchtigen Branchen niederlassen können. Von einer Vielzahl von interessanten Optionen sprach der Oberbürgermeister Werner Spec im vergangenen Mai noch. Zu seinem Leidwesen hat Nestlé nun eine ganz neue Option gezogen: Die Gebäude werden für die eigene Produktion genutzt. Ein gewöhnlicher Ludwigsbürger im Amt des Stadtschreibers würde dazu schlicht reimen: „Wie gewonnen, so zerronnen!“ Ein handverlesener Stadtschreiber fände dafür gewiss ganz andere Worte. „Der Wille lockt die Taten nicht herbei“, würde einer wie Goethe vielleicht schreiben. Wenn sich einer wie Goethe, oder wie ein handverlesener Stadtschreiber, überhaupt mit dem Ludwigsburger Bahnhof aufhalten würde.

Rätselhaftes Hüttchen

Vielleicht wäre das Häuschen, das seit Kurzem die Kirchstraße ziert, ja von viel größerem Interesse. Putzig sieht es aus mit seiner gestreiften Fassade, fast heimelig mit dem filigranen Dach und der kleinen Terrasse. Wenn das nichts ist für die Anregung der lyrischen Fantasie. Was mag es mit dem Hüttchen auf sich haben: Handelt es sich um ein Brezelkörbchen, dem die Brezeln fehlen? Oder um eine Dixi-Toilette in LB-Style? Wird es, ganz in Soldatenmanier, die Unterkunft des Stadtschreibers? Nun, ein wacher Blick wird dem Beobachter bald gewahr werden lassen: Das Hüttchen dient den Wachposten des Juweliers Hunke im Winter als Unterstand.

Alle Achtung: So etwas gab es außer im Schloss noch nie! Alle Ludwigsbürger dürfen jetzt schon aus dem Häuschen sein.