Nach gut zwei Monaten ohne Kindergarten gehen Sohn und Tochter unserer Kolumnistin nun in die Notbetreuung. Warum sie vorher aufgeregter als ihre Kinder war, erzählt sie hier.

Familie/Bildung/Soziales: Lisa Welzhofer (wel)

Stuttgart - Am Morgen, an dem der Sohn zum ersten Mal seit über zwei Monaten wieder in den Kindergarten gehen sollte, schrie er direkt nach dem Aufwachen aus dem Zimmer „ICH WILL NICHT IN DIE KITA!“ Nur, um dann ungefähr zehn Minuten später zu fragen: „WANN GEHEN WIR DENN JETZT ENDLICH IN DIE KITA!?“

 

Ungefähr so war auch meine Gefühlslage. Einerseits war ich sehr sehr sehr sehr sehr sehr froh, als wir einen Platz in der Notbetreuung bekamen – wenn auch nur an drei Tagen die Woche. Nach zehn Wochen Homeoffice, Homekinderbetreuung, Homecooking, Homestreiting war ich jeden Abend eigentlich nur noch eines: total erschöpft. Andererseits hätte ich die Kinder gern weiterhin zuhause gelassen. Nicht nur wegen Corona und der Möglichkeit, dass das Virus über die Kita zu uns nach Hause kommt. Sondern auch, weil ich die neue Familienzeit trotz allem genossen habe, was man in dieser Kolumne schon mal ausführlich lesen konnte.

Die Tochter ist plötzlich nicht mehr in der Krippe

Außerdem habe ich mir natürlich viele Gedanken gemacht, wie es der Sohn (6) und die Tochter (3) wohl so finden würden in ihrer Kita, die nun ganz anders ist. Normalerweise gibt es dort ein offenes Konzept, 50 Kindergartenkinder wuseln durchs ganze Haus, jeder sucht sich sein Spiel und seinen Raum. Nun gehen die Geschwister in dieselbe Gruppe, die von den anderen beiden streng getrennt und auf bestimmte Räume begrenzt ist.

Für die Tochter heißt das zum Beispiel, nicht mehr Krippenkind (wie vor Corona), sondern plötzlich Kindergartenkind zu sein, mit ganz anderen Erzieherinnen und Kindern um sich herum. Und das ohne die sonst übliche Eingewöhnungszeit. Für den Sohn heißt es, dass er seine Lieblingsfreunde aus der anderen Gruppe, mit denen er normalerweise im Garten kickt, nur hinter dem Absperrband am anderen Ende der Treppe zuwinken kann. Auch die Abstandsregeln machten mir Sorgen. Vor allem die Tochter – sonst ein recht selbstbewusstes und eigenständiges Kind – war in den Corona-Wochen ziemlich anhänglich geworden. Und sogar der große Bruder meinte todernst: „Ich habe mich jetzt schon so an alles ohne Kita gewöhnt!“

Ich glaube, am ersten Notbetreuungstag, auf dem kurzen Weg zum Kindergarten, waren wir alle drei ein bisschen aufgeregt. Ich vielleicht noch ein bisschen mehr als die beiden.

Mehr Erzieher, weniger Lautstärke

Zwei Wochen ist das nun her. Und die Kinder finden es überwiegend ziemlich prima, wieder in der Kita zu sein. Vielleicht, weil die Notbetreuung auch ihre Vorteile hat: Statt zwei Erziehern für 20 Kinder sind nun zwei Erzieher für acht Kinder da. Und weil die Gruppe kleiner und für sich ist, ist es auch weniger laut, hat jeder Zeit und Ruhe mit dem zu spielen, was ihm gerade gefällt.

Auch uns Eltern hilft die Notbetreuung natürlich sehr, wobei von Entspannung trotzdem noch keinerlei Rede sein kann. Das liegt vielleicht auch daran, dass ich mir viele Gedanken darüber mache, wie lange dieser Not(betreuungs)-Zustand noch anhalten wird. Und ob unser Leben jemals wieder dasselbe sein wird wie vor Corona. Und auch, wie eigentlich die Einschulung unseres Sohnes im September aussehen soll.

Wie schnell sich Kinder an Neues gewöhnen

„Ist das Corona jetzt weg?“, fragte die Tochter kürzlich. „Nein“, sagte ich, „das wird auch noch ein bisschen dauern“. „Ach so“, sagte sie. Und damit war das Thema wieder erledigt. Es ist schon erstaunlich, wie selbstverständlich Kinder neue Situationen annehmen und zu ihren machen. Erst haben sie Mitte März klaglos und ohne große Nachfrage akzeptiert, dass der Kindergarten von einem Tag auf den anderen zu hatte und sie ihre Freunde nicht treffen dürfen. „Es ist ja Corona!“ Jetzt haben sie sich ebenso schnell damit abgefunden, dass in der Kita nun eben manches ganz anders ist. Und bei all dem haben sie sich wirklich nur ziemlich selten beschwert.

Nur ein Stück dieser Gelassenheit würde ich mir wünschen – zurzeit und überhaupt.

Lesen Sie hier mehr aus der Kolumne „Mensch, Mutter“.

Lisa Welzhofer ist Autorin der Stuttgarter Nachrichten und Mutter zweier Kinder (6 und 3 Jahre alt). In ihrer Kolumne macht sie sich regelmäßig Gedanken über Familie und übers Elternsein, über Kinder, Kessel und mehr. Sie schreibt im Wechsel mit ihrem Kollegen Michael Setzer, der als „Kindskopf“ von seinem Leben zwischen Metal-Musik und Vatersein erzählt.