Sexistische Werbung soll verboten werden – so schlägt es zumindest der Justizminister Maas vor. Es verwundert nicht, dass es zu diesem Vorschlag heftige Reaktionen gibt – erschreckend an ihnen ist allerdings vor allem die Weigerung, sich ernsthaft mit dem Thema zu befassen, meint unsere Autorin Katja Bauer.

Stuttgart - „Frischfleisch gibt’s bei uns“, steht in großen Buchstaben neben einer Frau in Unterwäsche mit leicht geöffnetem Mund. Es ist ein Tierbedarfshändler, der so für sich wirbt. Und natürlich fehlt in diesem Zusammenhang auch das Wort „Pussy“ nicht. Hohoho, Riesenkracher! Ganz weit vorn ist auch das Motiv eines Hamelner Elektrikers: Frau in knapper Unterhose steckt mit dem Kopf nach vorn in einem Wäschetrockner. „Haushaltsgerät defekt? Wir helfen weiter.“ Die Frau als Gerät, dem der Mann mit dem richtigen Werkzeug schon helfen wird. Nicht immer ist sexistische Werbung so widerlich. Manchmal ist sie einfach nur seltsam: Wieso zum Beispiel muss man zum Verzehr von Pizza halb nackt auf dem Bauch liegen? Und glaubt der US-Designer wirklich, dass Frauen seine Eau-de-Toilette-Flakons zwischen ihren bloßen Brüsten transportieren?

 

Sexistische Werbung soll verboten werden – so schlägt es zumindest der Bundesjustizminister Heiko Maas vor. Es verwundert nicht, dass es zu diesem Vorschlag heftige Reaktionen gibt – erschreckend an ihnen ist allerdings vor allem die Weigerung, sich ernsthaft mit dem Thema zu befassen. So spricht der Geschäftsführer der Unionsfraktion, Michael Grosse-Bröhmer, davon, dass Deutschland keine staatliche Sittenpolizei brauche. Der FDP-Chef Christian Lindner erklärt gar, die Pläne seien „an Spießigkeit nicht zu überbieten“ und zieht Vergleiche zu islamistisch motivierten Verhüllungswünschen. Gerade so, als sei die Nummer mit dem Wäschetrockner ein Ausweis von Progressivität. Und Berlins Justizsenator Thomas Heilmann, selbst Ex-Werber, spricht von „Geschmacksvorschriften“.

Die Reduzierung auf den Körper ist ein Problem

Wie unausgegoren die Idee eines Verbots ist, zeigen schon ein paar Fragen: Wie definiert man juristisch Geschlechterdiskriminierung? Wie stellt sich der Minister vor, dass das Verbot durchgesetzt wird? Mit Klagen zu ständig wechselnden Motiven, die Richter entscheiden müssen? Mit fleißigen Ordnungsamtsmitarbeitern, die Knöllchen für Litfaßsäulen schreiben? Mit Verantwortung für Stadtwerber, Fernsehsender, Magazinredaktionen? Kann es sein, dass so ein Verbot dann nur für Werbung gilt? Was ist eigentlich mit dem Rest? Kann man Macho-Hip-Hop-Videos weiterdrehen und zeigen? Muss man Germany’s Next Topmodel untersagen? Oder den Magazintitel mit der nackten Frau zum Thema Depression? Und weshalb sind eigentlich Pornos erlaubt, in denen Frauen nichts sind als willig und verfügbar?

Was die Gegner jedoch tun: Sie reden gar nicht über Sexismus. Sie reden über Sitten, nackte Haut und Geschmack. Aber das ist nicht das Problem. Das Problem beginnt da, wo ein Mensch – meistens eine Frau – reduziert wird auf seine Körperlichkeit, auf seine Verfügbarkeit, auf erwünschtes Aussehen, auf Beine, Brüste, Hintern. Viele Frauen hassen solche Werbung, sind genervt, fühlen sich angegriffen, schauen peinlich berührt weg. Andere sagen, das störe sie nicht. Wie auch immer man es individuell empfindet: Es bleibt eine Tatsache, dass nicht wenige Menschen getroffen sind. In ihrem ganz alltäglichen Leben. Das zeigen Studien, das zeigt die Beschwerdestatistik des Werberats. Besonders Mädchen und junge Frauen erfahren Druck durch das Körperbild, das auf allen Kanälen vermittelt, vermessen, diskutiert, bewertet wird. Darüber ernsthaft nachzudenken hat nichts mit Spießigkeit zu tun.

Vorschau
Am kommenden Dienstag, 26.April, schreibt an dieser Stelle unser Autor Götz Aly.