Zugegeben: Das Zeremoniell um die Vergabe der naturwissenschaftlichen Nobelpreise wirkt etwas angestaubt. Doch die prämierten Forschungsthemen sind relevanter denn je.

Wissen/Gesundheit: Werner Ludwig (lud)

In der Vergangenheit wurden naturwissenschaftliche Nobelpreise oft für Grundlagenforschung mit überschaubarem Praxisbezug vergeben. Doch die Zeiten haben sich geändert, wie auch die diesjährigen Preise zeigen. Insbesondere der Medizinnobelpreis für die Mitbegründer der mRNA-Technik ist ein Beleg dafür, dass das Nobelkomitee sich mittlerweile durchaus an aktuellen Problemen orientiert. Die Impfstoffe auf mRNA-Basis haben in der Coronapandemie ohne Zweifel Millionen von Menschenleben gerettet – ganz nach der Vorgabe des Stifters Alfred Nobel, Forschungsarbeiten zu prämieren, die im vergangenen Jahr der Menschheit den größten Nutzen gebracht haben.

 

Auch beim diesjährigen Chemienobelpreis geht es um Erkenntnisse, von denen bereits heute Menschen profitieren. Die Entdeckung, dass die Farbe des von winzigen Partikeln emittierten Lichts allein von der Größe dieser Partikel abhängt, ermöglicht etwa die Herstellung von besonders leistungsfähigen Bildschirmen oder von Leuchtdioden, die in allen möglichen Farben strahlen. Dabei steht die Entwicklung erst am Anfang. Künftig könnte das Wissen um die sogenannten Quantenpunkte auch zu Fortschritten in der medizinischen Diagnostik oder in der Photovoltaik führen.

Ultrakurze Lichtblitze

Der Physikpreis für die Erforschung ultrakurzer Lichtblitze ist wiederum eher der klassischen Grundlagenforschung zuzurechnen, wobei sich ebenfalls erste praktische Anwendungen abzeichnen. So könnten auch die Erkenntnisse der Physik-Preisträger dabei helfen, Krankheiten schneller zu erkennen. Die Möglichkeit, einzelne Elektronen mit bisher ungeahnter Präzision zu beobachten, wird wiederum Forschern auf vielen anderen Gebieten nützen.

Das weitgehend reformresistente und intransparente Prozedere der Nobelpreisvergabe wirkt zwar inzwischen reichlich angestaubt. Doch die Themen, um die es geht, sind es beileibe nicht. Im Gegenteil: Nie war das Wohlergehen, ja das Überleben der Menschheit mehr von wissenschaftlichen Erkenntnissen abhängig als heute – egal, ob es um den Klimawandel geht, die Ernährung einer wachsenden Weltbevölkerung oder mögliche neue Pandemien. Angesichts einer zunehmenden Wissenschaftsskepsis können Forscherinnen und Forscher durchaus etwas Öffentlichkeitsarbeit gebrauchen. Dazu können die Nobelpreise auch heute noch etwas beitragen.