Horst Seehofer führt die CSU in Bayern wieder zum Erfolg. Er hat nicht viel anders gemacht als seine Vorgänger, meint der Bayern-Korrespondent der StZ, Mirko Weber. Er hat vor allem aber an einer Schraube gedreht.

Manteldesk: Mirko Weber (miw)

München - Wer tiefer gründeln will, warum der CSU in Bayern bei den Landtagswahlen tatsächlich noch einmal eine absolute Mehrheit zugewachsen ist, muss wohl oder übel den Lodenmantel der jüngeren Freistaatsgeschichte überstreifen. Im historischen Futter finden sich da nämlich ein paar Ereignisse, die im direkten Zusammenhang stehen mit den heurigen 47,7 Prozent.

 

Um aufzuhellen, warum die politische Wählermehrheit im Freistaat jetzt zumindest wieder annähernd so zu ticken scheint wie zu Analogzeiten, lohnt zunächst ein Blick zurück ins Jahr 2002, als der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber um ein paar tausend Wählerstimmen in Berlin als Kanzler sehr knapp scheiterte. In Bayern gibt es ein partielles kollektives Gedächtnis, das mindestens bis zu der von den Wittelsbachern gegen die Habsburger gewonnenen Schlacht von Ampfing 1322 zurückreicht. Das schließt natürlich auch etliche Niederlagen im Nationalarchiv ein.

Stoibers Berlin wurde jedenfalls nicht vergessen. 2003 zahlte Bayern es der Republik dann mit über 60 Prozent für die CSU bei den Landtagswahlen gewissermaßen heim, dass sie den guten Mann aus Wolfratshausen für Deutschland nicht gewollt hatte. Unter anderem war da reichlich verletzte Eitelkeit mit im Spiel. Stoiber wiederum verstand alles völlig falsch und krönte sich erst zum Quasimonarchen, um dann per Dekret seinen leicht losgelösten Idealstaat zu regieren. Gebieterisches Gefuchtel indes sorgt in Bayern sympathisch verlässlich für Verdruss.

Stoiber machte sich zum Hanswurst

Richtig grantig allerdings wurden fast alle, und beileibe nicht nur in der CSU, als Stoiber sich 2005, erneut in Berlin, kurz vor der Vereidigung in der Rolle des Bundessuperministers zum Hanswurst machte, weil er auf einmal feststellte, nur mit seinem Müntefering (Franz, SPD) durchs großkoalitionäre Dick und Dünn gehen zu wollen. Der bayerische Schwabe Alfred Sauter sprach damals ein großes Wort sehr ungehalten aus: „Du, Edmund, hast den Bayern ihren Stolz genommen.“

Nichts Schlimmeres als das. Es folgten Frau Pauli, Stoibers Demission, die Episode Huber/Beckstein und der Abschied von einer Nachkriegskonstante: der absoluten Mehrheit für die CSU. Dann kam Horst Seehofer. Und was tat er zuallererst? Er redete vom Stolz – auf Bayern und auf alle, die dort leben. Und dass die große CSU wieder mehr davon bräuchte. So etwas aus Ministerpräsidentenmund würde hie und da vielleicht auch in, sagen wir, Schleswig-Holstein, verfangen. Aber dort denkt man weniger in solchen Kategorien. Und dort hat man es ohnehin nicht mit der Spruchbeutelei.

Seehofers Quantum Irrationalität

Edmund Stoiber also hatte, wie geschildert, machtverblendet zu viel von seinem Land verlangt; Günther Beckstein sich selbst komplett falsch eingeschätzt. Horst Seehofer nun machte im Amt nichts großartig anders als seine Vorgänger. Er umhegte die heimische Wirtschaft und sorgte mit Folklore und guter Laune im Gepäck im Ausland für Aufträge. Zwar war er innenpolitisch öfter schon morgen nicht mehr seiner Meinung von heute, setzte aber dieses Quantum Irrationalität, das im ansonsten weitgehend preußisch geschmiert laufenden Bayern viele Freunde hat, meist geschickt ein. Dass einen blödes Geschwätz von gestern nichts mehr angehen muss, ist schon ein bisschen Landesmantra.

So figurierte Seehofer zum Dr. Feelgood der CSU, der sich als Dauerkümmerer um das Wohl Bayerns gut verkauft hat und viele Abtrünnige wieder gesund betete. Diese Wähler, häufig protesthalber bei der FDP gelandet, kehren jetzt erst einmal heim zur CSU (Stichwort: Demut!), obwohl die Partei auf vielen Ebenen – angefangen beim obersten Freistaatsschauspieler Seehofer – lediglich vorspiegelt, dass sie ideenreich, würdig und stolz sei. In Bayern aber liebt man eben auch den schönen Schein.